Wie angekündigt wollte ich mir hier im Blog mal die einzelnen neuen und alten Forderungen der aktuellen Studierendengeneration beleuchten. Damals, zu meiner Zeit, Ihr wisst schon, da habe ich ja oft nicht wirklich verstanden, worum es eigentlich geht. Ich dachte, ich täte, tatsächlich aber habe ich nicht die großen Linien von das Ganze gesehen. Wie viele junge Menschen, die erst am Anfang des Studiums stehen, musste ich erst noch lernen, selbständiges Denken vom Nachschwatzen einleuchtend klingender Thesen zu unterscheiden, und die tatsächlichen Thesen wiederrum von den bloßen Phrasen.
Heute, älter, weiser, reifer, wenn auch nicht so alt wie ich mich gerade anhöre - ohweh! - bin ich etwas weiter - zum Glück. Dank eines erfolgreich absolvierten Studiums (naja, anderthalb und eine angefangene Promotion), und dank einer Insider-Position weiß ich etwas besser, wie viele Seiten die akademische Medaille (die offenbar nicht nur in unserer langweiligen Dreidimensionalen Welt existiert) hat.
verschiedene Seiten einer Humboldt-Medaille (lustiger Bilderwitz!)
Zum Beispiel ist es ja eine unter Studierenden weit verbreitete Annahme, die Uni sei ausschließlich dafür da, dass sie etwas lernen könnten. Dies ist falsch.
Andersherum geht die Professorenschaft fast vollständig davon aus, dass die Uni vor allem die nötige Infrastruktur bietet, um in Ruhe zu forschen. (Das sieht auch die Politik so, wie man an den diversen Exzellenzinitiativen leicht erkennen kann.) Dementsprechend wäre die Lehre ein zu vernachlässigendes Abfallprodukt der Forschung, nützlich allenfalls im Sinne von Kleists schönem Essay "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden".
Auch das ist falsch. Richtig, und mehr in Humboldts Sinne, wäre eine ordentliche Kombination von beidem bei gleichzeitiger Anerkennung der speziellen Bedürfnisse all der anderen Wesen in diesem überaus komplexen Biotop: Mittelbau, Bibliothekare, Hausmeister, Gärtner, Mensamenschen, Verwaltungsangestellte - was meint Ihr, was die glauben, wozu so eine Uni alles gut ist!?
Aber ich schweife ab. Dabei ist doch das wichtigste, am lautesten und längsten konkret bekämpfte und damit für uns hier an erster Stelle zu beleuchtende Thema das der leidigen Studiengebühren.Worum geht’s?
Studiengebühren, früher „Hörergelder“, sind 1970 abgeschafft, und unter dem Vorwand der Bologna-Reforemen in vielen Bundesländern seit 2005 wieder eingeführt worden. Die sogenannte Campus-Maut beträgt in der Regel 500,- Euro pro Semester, dazu kommen Verwaltungsgebühren (gab’s früher auch schon), die häufig zusammen mit dem Zwangsbeitrag zum Studentenwerk sowie der Umlage für das Semesterticket eingezogen werden. Da können, abhängig vom Standort, schon mal weitere 250,- Euro zusammenkommen. Für Prüfungen fallen –anders als bspw. beim Führerschein - keine gesonderten Gebühren an. Einige Bundesländer erheben zudem „Langzeitgebühren“ für Studierende, die die Regelstudienzeit deutlich überschreiten.
Was gibt’s dafür?
Im Gegensatz zur von Studierenden weit verbreiteten Meinung, „es gäbe nichts dafür“, bekommen die Studiosi eine ganze Menge für ihr Geld. Fangen wir bei den „alten“ Gebühren an: vom zwangsumgelegten StuWe-Beitrag bspw. finanzieren sich verbilligtes Wohnen (oder glaubt Ihr etwa, so ein Wohnheim trägt sich selbst?), Essen (eine warme Mahlzeit für 1,80 Euro: glaubt Ihr, das sei ein wirtschaftlicher Preis?) und zahlreiche zusätzliche Betreuungsangebote wie psychologische Beratungsstellen etc. Und niemand, der mal ein Monats-Abo des regionalen ÖPNV abonnieren musste, wird sich über 6 Monate kostenloses Bus-und-Bahnfahren für rund 100 Euretten beschweren wollen – Preise variieren ebenso wie die Reichweite, aber günstig ist es allemal. Auch dass der Studierendenausweis überall auf der Welt für Rabatte, Nachlässe und Vergünstigungen sorgt, nimmt der gemeine Student einfach so hin, als sei es selbstverständlich, dass die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten zukünftigen Verdienstquote und, ja leider, den reichsten Elternhäusern (im Durchschnitt! Kommt mir nicht mit Ausnahme-Einzelschicksalen! Ihr wisst, dass ich Recht habe, und die OECD weiß es auch!) sich eine Kinokarte für 7 Euro nicht leisten könnte (oder würde). Für halbzeitbeschäftigte Vollzeit-Alleinerziehende mit geringem Einkommen gibt's sowas jedenfalls nicht.
Die ultimative Rabattmarke
Die eigentlichen Studiengebühren von 500,- Euro sind eigentlich auch nicht so hoch, wenn man bedenkt, was man dafür „kauft“: nämlich den Zugang (Zugangsrechte! Nicht Recht auf gute Noten, dafür muss man immer noch arbeiten…) zu einer Infrastruktur (Raummiete), Informationen (Lehrendenhonorar), Lehrmitteln (Bücher, Zeitschriften). Zwar müssen, abhängig vom Studiengang, manche Dinge zusätzlich auf eigene Kosten angeschafft werden, aber dafür kannst Du in Deinem eigenen Gesetzestext soviel herumschmieren wie Du willst. Und willst Du das Stethoskop wirklich teilen? Aber das ist doch Jammern auf hohem Niveau: jeder Kochlehrling braucht eigene Messer, jeder Schreiner hat eigenes Werkzeug. Warum soll es den Studierenden da besser gehen als den Azubis?
A propos Azubis: ist den Herren und Damen Studierenden, die „nichts kriegen für ihr Geld“, eigentlich klar, was eine „normale“ Fortbildungsmaßnahme, wie sie das Arbeitsamt empfiehlt, und nicht jeder Arbeitgeber bezahlt, eigentlich kostet? Da sind schnell mal 5000 Euro weg – für einen Kurs! Selbst die VHS nimmt Geld! Rechnet das mal nach, da kommt man mit 500,-Euro/Semester ganz gut weg, vor allem, wenn man die zahlreichen Zusatzangebote (für die es keine CP gibt) mal so richtig ausschöpft… (Und von seinem Lehrlingsgehalt kann ein Azubi übrigens auch nicht unbedingt leben…)
Bevor mich jetzt alle schlagen: natürlich sind 750 Euro viel Geld für jemand, der es nicht hat. Auch ich hätte während meines Studiums Probleme gehabt, dieses Geld „mal eben“ aufzubringen – als Halbwaise mit drei Geschwistern ebenfalls in der Ausbildung, bei zeitweilig drei Jobs zugleich und trotz eines sehr bescheidenen Lebensstils. Die Frage war aber nicht: richtig oder falsch, sondern: was bekommt man dafür. Und das ist selbst in den Fällen, wo das, was man bekommt, nicht genug ist, wo sich wirklich gar nichts verändert hat dank der Gebühren, immer noch eine ganze Menge. Wer’s nicht glaubt, kann ja mal eine Lehre zur Vergolderin oder Physiotherapeutin oder sonst was anfangen.
Wie werden Studiengebühren verwendet?
Es wird erzählt, dass Studiengebühren angeblich häufig "zweckentfremdet" (d.h. nicht zur „Verbesserung der Lehre“) eingesetzt werden. Stattdessen würden Haushaltslöcher gestopft, Strukturschwächen ausgeglichen, Dächer geflickt, was-weiß-ich. Das ist nicht überall so. Die meisten Unis gehen sehr sorgfältig mit dem Geld um - einige sogar so sorgfältig, dass sie es nicht mehr brauchen können, denn irgendwann hat jeder Raum einen Beamer, und die Regelungen für den "richtigen" Einsatz der Mittel sind eng begrenzt.
Infrastruktur pflegen? Nicht aus Studiengebühren, denn das ist Ländersache!
Mehr Profs einstellen? Dito! Allenfalls Zeitschriftenabos, Bücher und Tutorien (zur Verbesserung der Gruppengröße) kann man stets anschaffen, vielleicht sogar die Ausstattung einiger Laboratorien verbessern, aber mal ehrlich: die eigentlichen Probleme (marode Gebäude, überfüllte Studiengänge/schlechte Betreungsratio) sind damit nicht gelöst.
Wie soll man’s also halten mit den Studiengebühren?
Oha, schon spät. Das wird ein neuer Beitrag. Stay tuned!
Links:
http://www.kleist.org/texte/UeberdieallmaehlicheVerfertigungderGedankenbeimRedenL.pdf
http://www.einfach-sparsam.de/geld-sparen/studenten/
http://de.wikipedia.org/wiki/Studiengebühren_in_Deutschland
http://de.wikipedia.org/wiki/Studentenwerk
http://de.wikipedia.org/wiki/OECD
http://www.oecd.org/document/8/0,3343,de_34968570_34968855_39283656_1_1_1_1,00.html
Bildquellen:
http://www.muenzauktion.info/auction/uploaded/8250455893108.jpg
http://astamuenster.files.wordpress.com/2009/11/stugebsoliparty.png?w=350&h=332
http://www.reisebuero-kuhlmann.de/studentenausweis/studentenausweis.jpg
Und natürlich schließt der Beitrag direkt an diesen an: Neue Studierendenproteste. Sonst ist wenig neu.