Freitag, 26. November 2010

Frauen und Netzwerke.

Wenn man, so wie ich, kein Auto besitzt, dann fährt man natürlich häufiger mit Bus und Bahn. Is' ja auch praktisch (außer wenn mal wieder der ICE ausfällt und man 40 min auf dem Gang stehen muss. Dafür bin ich schon lange zu alt, und bald auch echt. Aber echt!).  Notgedrungen lauscht man in Bus und Bahn anderen nicht-automobilen  Zeitgenossen so einiges ab. Einseitig geführte Handytelefonate sind dabei nicht so erfreulich wie echte Gespräche, und in letzter Zeit sind die Gespräche zwischen den Damen irgendwie interessanter - muss mich manchmal recht beherrschen, mich nicht einzumischen.

Neulich im Bus  zur Uni also diese Mädels. Wahrscheinlich Studierende, wahrscheinlich kurz vorm Abschluss - BA, nicht Master - nicht mehr so ganz grün hinter den Ohren, aber auch noch nicht sehr abgeklärt. Sie sprechen über Karrierechancen, demografische Entwicklung, Familienpolitik und Zukunftspläne. Und obwohl die Zeiten für hochqualifizierte junge Frauen schon mal deutlich schlechter standen, waren sie nicht sehr zuversichtlich. Fazit der einen: Frauen knüpfen halt keine Netzwerke, das ist ja bekannt. Da kommt man in der Karriereplanung eben nur bis zu einem gewissen Punkt, und dann nicht weiter...

http://blog.onlymarketingjobs.com/wp-content/uploads/2010/03/Oldboysnetwork.jpg

Ich habe das auch schon öfter gehört - Männer netzwerken, Frauen menscheln. Männer machen Karriere, Frauen die Wäsche. Ich habe es so oft gehört, dass ich es manchmal auch glauben möchte. Eine schöne einfache Erklärung für ein komplexes Phänomen.

Aber bei Licht betrachtet - bloß weil alle das "wissen", heißt ja nicht, dass es stimmt.
Frauen sind exzellente Netzwerkerinnen. Sie haben einen höhere Sozialkompetenz (so heißt es zumindest...:-D), sie haben eine höhere emotionale Intelligenz, sie sind emphatisch, sie kommunizieren statt zu dominieren etc pp. All diese Eigenschaften machen sie zumindest in der Theorie zu sehr guten und zuverlässigen Netzwerkerinnen.

Netzwerkerin

Und auch in der Praxis - nehmen wir doch mal die klassische Mutter von kleineren Kindern, gerne berufstätig - und die Kita streikt. (Fast) jede dieser Mütter hat eine Mutter/ Schwester/ Freundin aus der Stillgruppe, die zumindest zeitweise einspringen kann. Da wird ein sehr komplexes Netz von Tauschgeschäften gewoben - ich hole Deine Lena heute mit ab, wenn meine Pia morgen mit zu dir kann; meine alte Babysachen gegen das zu kleine Fahrrad deines Ältesten für die Nichte meiner Nachbarin damit die mir .... etc. Ein dichtes Netz an Gefallen und Gegen-Gefallen, Abhängigkeiten und Zuständigkeiten, und alle Mütter sitzen mittendrin wie die Spinne Thekla und weben und knüpfen und denken oft mehrere Schritte um die Ecke und wenn sich dabei alle noch gut verstehen und Spaß haben, umso bessser. In den meisten Fällen funktionieren diese Netzwerke ganz hervorragend, und da werden auch so manche Kita-Mütter "mitgeschleppt" mit denen man sich ohne Kind vielleicht nicht (so eng) angefreundet hätte. Weil es nämlich notwendig ist, um den Alltag zu organisieren, Kind, Haushalt und Beruf (oder anderen Verpflichtungen) gerecht zu werden.

Und hier liegt wohl eher der eigentliche Unterschied zwischen "männlichen" und weiblichen Netzwerken: Männer netzwerken vor allem im und für den Job. Frauen netzwerken "privat" oder in ihrer Eigenschaft als "Famillienmanagerin" - aber nicht da, wo sie finanziell davon profitieren würden (sie profitieren, natürlich). Aber das gleiche Geschick in ein berufliches Netzwerk zu investieren wie in ein privates, das finden wir unartig, unmoralische, unfair, und benennen es mit negativen Begriffen wie Kader, Seilschaft, old boys...
Die Schere ist, wie so häufig, im Kopf. Leider.
Irgendwie sind wir's oft ja auch selbst schuld, wenn wir uns das Leben so schwer machen. Xing und Kaffeepausen stehen uns ja genauso zur Verfügung. Und ganz offensichtlich ist es nicht unmoralisch - gibt ja sogar Fortbildungen dazu! Aber das konnte ich den Mädels im Bus ja wohl kaum erklären - im Übrigen waren sie ja auch schon ausgestiegen...

("Echte" Mütter mögen mich korrigieren, mein obiges Beispiel beruht auf Beobachtung, nicht auf Erfahrung. Im Zweifel halte ich es allerdings für zutreffend, eher noch Untertreibung.)

Heute mal eigene Gedanken, keine Links.
Zuletzt mal so Gedanken gepostet: Si tacuisses...

Freitag, 5. November 2010

Templiner Manifest - hier lang zur Unterschrift.


Die GEW hat eine ordentliche Aktion gestartet - das Templiner Manifest bemüht sich um eine Anerkennung von Wissenschaft als Beruf - denn so wie Lehrbeauftragte und Post-Docs zur Zeit behandelt werden, lässt sich Wissenschaft für die meisten Doktoranden und Post-Docs -- also wir in den 30gern, in der berühmten Karriere-bauen-Familie-gründen-Phase -- nur als Hobby betreiben - vorausgesetzt, man hat Vermögen oder eine/n Ernährer(in), oder einen lukrativen Hauptjob, oder kann und will von Hartz IV leben...
 Hier ist der Link: http://www.gew.de/Templiner_Manifest.html
 und hier ist der Text:


Templiner Manifest

Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind mit wachsenden Anforderungen konfrontiert: durch steigende Studierendenzahlen, durch die Reform der Studiengänge, eine autonome Steuerung der Einrichtungen und die zunehmende Bedeutung der Drittmitteleinwerbung. Diesen Anforderungen müssen sich die Beschäftigten in der Wissenschaft stellen, ohne dass sie aufgabengerechte Bedingungen vorfinden. Befristete Arbeitsverträge und weitere Formen atypischer und prekärer Beschäftigung betreffen immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden selbstständige Forschung und Lehre und verlässliche berufliche Perspektiven verwehrt.

Doch gute Lehre und Forschung auf der einen Seite sowie gute Arbeitsbedingungen und berufliche Perspektiven auf der anderen sind zwei Seiten einer Medaille. Wir fordern daher Bund, Länder und Hochschulen zu einer Reform von Personalstruktur und Berufswegen in Hochschule und Forschung auf, die sich an den folgenden zehn Eckpunkten orientiert.

1. Promotionsphase besser absichern und strukturieren
Wir verstehen die Promotion als erste Phase wissenschaftlicher Berufsausübung. Für Doktorandinnen und Doktoranden fordern wir daher ausreichend tarifvertraglich geregelte Beschäftigungsverhältnisse zur Qualifikation mit Sozialversicherungsschutz, die mindestens drei Viertel der Arbeitszeit für die eigenständige Qualifikation vorsehen. Fächerübergreifende Graduiertenzentren sollen alle Promovierende bei der Aufnahme, Durchführung und dem erfolgreichen Abschluss des Promotionsvorhabens unterstützen. Wir treten für mehr Transparenz und soziale Gerechtigkeit beim Zugang zur Promotion ein – auch für Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen.

2. Postdocs verlässliche Perspektiven geben
Promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (Postdocs) müssen verlässliche berufliche Perspektiven haben: durch einen Tenure Track, der den dauerhaften Verbleib in Hochschule und Forschung ermöglicht – unabhängig davon, ob eine Berufung auf eine Professur erfolgt oder nicht. Voraussetzung dafür ist eine systematische Personalplanung und –entwicklung durch Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die Hochschullehrerlaufbahn muss über unterschiedliche Karrierewege erreichbar sein, die Habilitation ist dabei immer nur eine Möglichkeit.

3. Daueraufgaben mit Dauerstellen erfüllen
Neben Stellen zur Qualifikation und Professuren benötigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen ausreichend Stellen, auf denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unbefristeten Verträgen Wissenschaft als Beruf ausüben können. Nur so lassen sich die Daueraufgaben in Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement mit der erforderlichen Kontinuität und Qualität erfüllen. Und nur dann eröffnen sich qualifizierten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern berufliche Perspektiven auch neben der Professur.

4. Prekäre durch reguläre Beschäftigung ersetzen
Viele Hochschulen lassen unter großem finanziellen Druck einen erheblichen Teil ihrer Pflichtlehre von Lehrbeauftragten erbringen. Mit der Ausbeutung von Dumping-Lehrkräften muss Schluss sein! Dort, wo Lehrbeauftragte dauerhaft Lehr- und Prüfungsaufgaben wahrnehmen, müssen diese sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse erhalten. Soweit zur Ergänzung des Lehrangebots Lehraufträge sinnvoll sind, müssen Mindeststandards im Hinblick auf Bezahlung, Vertragsdauer und Verlängerungsoption gelten.

5. Im Gleichgewicht lehren, forschen und leben
Wissenschaft ist ein normaler Beruf, auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ein Recht auf eine Work-Life-Balance. Das setzt eine familiengerechte Gestaltung von Hochschule und Forschung voraus. Dabei gehen wir von einem breiten Familienverständnis aus, das alle Lebensgemeinschaften einschließt, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Wir fordern bedarfsgerechte Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder, die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Beschäftigten mit betreuungs- und pflegebedürftigen Angehörigen und die Realisierung entsprechender Arbeitszeitmodelle.

6. Ausgeglichenes Geschlechterverhältnis durchsetzen
Da Frauen in leitenden Funktionen des Wissenschaftsbetriebs unterrepräsentiert sind, brauchen wir wirksame Maßnahmen, um den Anteil der Frauen auf allen Stufen der wissenschaftlichen Laufbahn mit dem Ziel eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses zu erhöhen. Die Qualität der Arbeit von Hochschulen und Forschungseinrichtungen muss danach beurteilt werden, mit welchem Erfolg sie den Gleichstellungsauftrag erfüllen. Wir fordern eine verbindliche und mit Sanktionen verknüpfte Quotierung, auch bei der Besetzung von Professuren und Leitungsfunktionen. Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte brauchen wirksame Gestaltungsmöglichkeiten und Beteiligungsrechte.

7. Gleichberechtigt mitbestimmen
Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen demokratisiert, die Selbstverwaltung muss gestärkt werden. Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen unabhängig vom Status in Hochschulgremien beziehungsweise Aufsichtsgremien der Forschungseinrichtungen auf Augenhöhe gleichberechtigt mitbestimmen können. Das gilt auch für neue Organisationsformen wie Graduiertenschulen oder Exzellenz-Cluster. Wir fordern eine Ausdehnung des Geltungsbereichs der Personalvertretungsgesetze bzw. des Betriebsverfassungsrechts auf alle Beschäftigten sowie einen Ausbau der Rechte der von ihnen gewählten Personalvertretungen und Betriebsräte – auch als Konsequenz der größeren Autonomie der Einrichtungen in Wirtschafts- und Personalangelegenheiten.

8. Mobilität fördern, nicht bestrafen
Wir treten für Bedingungen in der Wissenschaft ein, die Mobilität ermöglichen: zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, im europäischen und globalen Hochschul- und Forschungsraum sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Altersversorgungs- und Sozialversicherungsansprüche müssen uneingeschränkt erhalten, Erfahrungszeiten bei anderen Einrichtungen und Qualifikationen anerkannt werden. Gleichzeitig gilt: Auch wer nicht mobil sein will oder kann, muss eine faire Chance in der Wissenschaft haben.

9. Hochschule und Forschung bedarfs- und nachfragegerecht ausbauen
Die wachsenden Anforderungen an Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement sind auf Dauer nur durch einen bedarfs- und nachfragegerechten Ausbau von Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu bewältigen. Dazu brauchen wir mehr Studienplätze, ein besseres Betreuungsverhältnis und eine intensivere Forschung, um den gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden.

10. Alle Beschäftigungsverhältnisse tarifvertraglich aushandeln
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie studentische Beschäftigte haben Anspruch auf tarifvertraglichen Schutz. Wir fordern daher die Ausdehnung des Geltungsbereichs der Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes auf alle Beschäftigten in Hochschule und Forschung. Wir treten für wissenschaftsspezifische Regelungen ein, die den besonderen Anforderungen des Arbeitsplatzes Hochschule und Forschung Rechnung tragen. Der Gesetzgeber muss die Tarifautonomie von Gewerkschaften und Arbeitgebern respektieren und das Verbot, Regeln zur Befristung von Arbeitsverträgen in Hochschule und Forschung auszuhandeln und anzuwenden, aufheben. Daher fordern wir die ersatzlose Streichung der Tarifsperre im Wissenschaftszeitvertragsgesetz.

Templiner Manifest online unterzeichnen


Zuletzt ging es um Wissenschaft als Arbeitsplatz hier: Lehrjahre sind keine Herrenjahre.