Der September war ein lesefauler Monat. Zum Teil lag das natürlich daran, dass ich übers regelmäßige Arbeiten etwas weniger Freizeit hatte als sonst vielleicht. Aber in Wirklichkeit lag es schlichtweg daran, dass ich mich vier Wochen fernab von meinen Bücherregalen aufgehalten habe. Noch dazu unter Sparzwang, sodass ich um die Tübinger Buchhandlungen vorsichtshalber große Bogen geschlagen habe. Ein Sachbuch hatte ich dabei, habs aber nicht gelesen. Und auf der Reise habe ich mich völlig untypisch mit Zeitschriften eingedeckt.
Ok, die
Patrones habe ich schon öfter mal gekauft. Aber das ist ja kein Lesestoff in dem Sinne... wenn ich sie natürlich auch aufmerksam studiere. Angetan war ich von der
brandEins, interessant und gut geschrieben. Kaufe ich sicher noch einmal.
Dann hat mich mein früherer Professor darauf aufmerksam gemacht, dass er eine neue Publikation zum Thema
Bildrhetorik herausgegeben hat. Um mit ihm über seine Theorien in der Einleitung sprechen zu können, musste ich also ein Rezensionsexemplar auftreiben, denn der Kaufpreis war mir doch spontan einfach mal zu hoch. So ging's aber auch.
Prof.
Knape hat in Tübingen einen Lehrstuhl für systematische Rhetorik, und forscht bereits seit mehreren Jahren zum Thema. Die Kernpunkte seiner Theorie legt er in der Einleitung dar. Mit Recht bemängelt er, dass über dem allgemeinen Trend zur "Bildwissenschaft" Grundlagenforschung vernachlässigt, und disziplinäre Kompetenzen verwässert werden. Bevor nun alle Kunsthistoriker oder Medienwissenschaftler oder Semiotiker oder Grafik-Designer für sich in Anspruch nehmen, Bildwissenschaftler zu sein, müsse erst einmal geklärt werden, was Bildwissenschaft überhaupt sei. Er schlägt vor, analog zur Sprachwissenschaft vorzugehen. Kunsthistoriker entsprächen demnach den Literaturwissenschaftlern, Sprachphilosophen den Ästhetik- und Kunstphilosophen. Grundlegend aber müsse sein, ein der Linguistik entsprechendes Instrumentarium von Begriffen zu schaffen, und vor allem erst einmal zu definieren, was ein Bild sei. "Nicht jedes Gemälde ist ein Bild." Das klingt einleuchtend und macht neugierig auf Knapes lang angekündigte Monographie.
Die folgenden Aufsätze gliedern sich nach Theorie, Theoriegeschichte, und Anwendung in der Praxis und sind erwartungsgemäß von unterschiedlicher Qualität. Hervorzuheben sind sicherlich die Artikel von Wieland oder Koch, denen man anmerkt, das sie sich schon länger mit Knapes Theorien beschäftigen, und sie zu neuen, fruchtbaren Anwendungen führen.
Ganz ohne Belletristik ging es dann aber natürlich doch nicht. Freunde von Regensburger Feldforschern haben herausgefunden, dass man mir mit Büchern immer eine Freude machen kann. So erhielt ich unverhofft eine herrlich angelesene Taschenbuchausgabe von
A. S. Byatt's Posession. Ich lese noch daran, es geht nicht so schnell. Aber darin liegt auch der Zauber dieses Buches, das im häufigen Erzählerwechsel dazu zwingt, immer neue Perspektiven einzunehmen, und schlussendlich auch die eigene Rolle als Leser zu hinterfragen. Das Buch eine Liebesgeschichte zu nennen, greift sicherlich zu kurz oder weckt falsche Erwartungen. Aber es steckt voller Liebeserklärungen: an die Poesie und die Kraft der Sprache. An die Wissenschaft und die akademische Spurensuche, Detektivarbeit zur Ergründung eines Geheimnisses, das vielleicht niemanden interessiert als einen selbst. An selbständige Frauen (aber auch Männer), die den Mut haben, eigene Wege zu gehen. An das Lebensgefühl und den Wissensdrang der Viktorianischen Zeit. Es geht sicher noch weiter, aber ich habe auch erst gut die Hälfte gelesen.
Am besten gehe ich jetzt wohl heim und lese weiter.
Bildquelle:
http://www.meisterstein.de/photos/Stills/pages/Buchstaben-fallen-aus-Buch.htmDieser Artikel ist ein Update zu:
Bücher sind Lebensmittel. August.