Arth-hist.net hat diesen netten Newsletter, in dem sie über "Geisteswissenschaften in den Feuilletons" berichten. Heute gab es unter anderem eine Zusammenfassung eines Vortrags von Jürgen Trabant, abgedruckt am 28. 9. in der FAZ. Leider sind in Deutschland alte Zeitungen noch nicht kostenlos, sodass ich auf die veröffentlichte Zusammenfassung angewiesen bin. Diese erzählt uns folgendes:
"Der Romanist Jürgen Trabant hält es in einem von der FAZ abgedruckten Vortrag für so begreiflich wie bedauerlich, dass die Deutschen sich in der globalisierten Wissenschaft so wenig für ihre eigene Sprache einsetzen. Schließlich habe man das deutsche "Bellen" der Nationalsozialisten aus gutem Grund noch im Ohr. Die Folgen dieser "Sprachscham" seien, so Trabant, dennoch fatal: "Die deutschen Eliten haben also in den internationalen Prestige-Diskursen das Deutsche aufgegeben. Sie sprechen globalesisch mit der Welt und untereinander. Dass dies so ist, ist nicht nur der Effekt der anglo-amerikanischen Weltdominanz, sondern, in seiner besonderen Willfährigkeit, Geschwindigkeit und Gründlichkeit, auch eine Folge der durch das Sprachgebell erzeugten Sprachscham. Englisch sprechend distanziere ich mich von der Bellgemeinschaft. Englisch sprechend bin ich nicht nur international, sondern vor allem auch nicht deutsch, nicht schuldig."
Well... Englisch sprechend werde ich vor allen Dingen überall verstanden, und darauf kommt es mir und meiner Generation doch immer noch am meisten an. Nazi-infiltriertes Sprachgebell klingt in meinen Ohren, vier Jahrzehnte nach der Machtergreifung geboren, nämlich nicht mehr nach.
Und doch, gerade im Fach Kunstgeschichte war Deutsch lange Zeit die wichtigste Publikationssprache - Namen wie Wölfflin, Riegl, Sedlmayr, Warburg, Gombrich oder Panofsky kommen einem in den Sinn. Allerdings war ich Anfang des Jahres auf einer Konferenz, wo man - vielleicht etwas zu optimistisch - davon ausging, dass alle Kunsthistoriker natürlich Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch nicht nur verstehen, sondern auch fließend in all diesen Sprachen in die Diskussionen eingreifen können.
Dem ist nicht so.
Das kann man bedauern, und mit Recht. Oder man kann sich der Realität anpassen. Tatsache war, dass Vorträge die angekündigt waren als italienisch oder deutschsprachig möglicherweise weniger besucht, garantiert aber weniger diskutiert wurden. Englische, und wegen der großen Anzahl anwesender Franzosen auch französische Vorträge hingegen wurden viel besser beachtet. Und das ist schließlich der eigentliche Sinn einer (internationalen) Konferenz.
Natürlich finde ich auch, dass Kenntnisse der oben genannten Sprachen wichtig sind für Kunsthistoriker. Niederländisch sollte natürlich auch nicht vergessen werden, vom Latinum ganz zu schweigen. Und je nach geographischem Schwerpunkt auch jede andere Sprache, in der Künstler, Akademiker oder Händler sich austauschen oder ausgetauscht haben. Aber die Zeiten, in denen Deutsch als allgemeine Wissenschaftssprache galt, sind doch schon lange vorbei - wenn sie denn je lange da waren. Die längste Zeit war es Latein, die tote und doch nicht totzukriegende Sprache, die den wissenschaftlichen Austausch unter den europäischen Universitäten ermöglichte. Das musste Herr Melanchthon genauso lernen wie Herr Descartes, oder Herr Newton, oder Herr Marx, oder - ja nun, Herr Ratzinger. (Und seien wir ehrlich, wenn man die Sprache mal so behandelt, als könne man sie sprechen, dann ist sie auch nicht schwieriger zu lernen als Französisch...) Der Vorteil war natürlich, dass Latein niemandes Muttersprache war, alle den gleichen Bedingungen ausgesetzt waren. Aber es hieß eben auch, dass es eine elitäre Wissenschaftssprache gab, unverständlich (ok. noch unverständlicher) für eine interessierte, nicht-akademische Öffentlichkeit.
Und wollen wir das wirklich?
Bildquellen:
http://www.ev-akademie-tutzing.de/doku/aktuell/blatter_dyn.php3?ausgabe=2007/01
http://www.welt.de/politik/article757906/SPD_will_Adolf_Hitler_ausbuergern.html
Dieser Artikel bezieht sich teilweise auf: Die Toten tanzen. Rückmeldung.
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