Mittwoch, 19. September 2007

Verdummen die Deutschen?... fragt WEB.DE

Die Frage ist nicht neu. Zumindest kann man mit Bezug auf Herrn Sichelschmidt, Autor des vor 25 Jahren erstmalig erschienen Buches mit dem fast gleichnamigen Titel, wohl sagen: Ja. Er ist der Beweis.
Nun aber zu den Nachrichten, Zahlen und Fakten.
Versteh mich keiner falsch: ich finde die PISA-und OECD-Studien sehr wichtig und aufschlussreich, und es gibt immer viel zu tun und zu verbessern. Aber immer diese "Das-Glas-ist-nur-halbvoll"-Perspektive wenn wieder ein neues Jahrbuch veröffentlicht wird kann manchmal schon ganz schön bedrückend sein. Die Kunst liegt auch hier in der Auslegung der Statistiken. WEB.DE schreibt also folgendes:
"Die Reformbemühungen fruchten nicht recht: Trotz leichter Verbesserungen fällt das deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich zurück. Das geht aus der jährlichen Bildungsanalyse der OECD hervor. Hauptproblem: Deutschland hat zu wenig Abiturienten und Akademiker."
Ok. Deutschland sagt ab. Von Platz 10 auf Platz 22. (22 von 29 - das ist ja tatsächlich kein Grund zum Jubeln. So weit also ehrliche Besorgnis, zumal im Angesicht all der bildungsreformerischen Anstrengungen der letzten Jahre.)
Weiter schreiben sie:
"Der OECD-Bericht beschreibt die Situation so: Deutschland ist wegen des Akademikermangels derzeit nicht in der Lage, Ingenieure, die kurz vor der Rente stehen, durch junge Absolventen zu ersetzen."
Nicht zu wenig Akademiker, sondern zu wenig Ingenieure! Das ist ein Unterschied, denn bei den Akademikern (Geistes-, Sozial-, Kulturwissenschaften) wird ja schliesslich auch fleißig eingespart. Dennoch, zugestanden: man könnte und sollte das Interesse an naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen sicherlich mehr fördern, und zwar schon in den Schulen.
"Weiter schafft es nur ein kleiner Teil eines Jahrgangs [die Rede ist offenbar immer noch von Ingenieuren], einen akademischen Abschluss zu bekommen. [...] Nur 32 Ingenieure kommen hierzulande auf 1000 Menschen eines typischen Abschlussjahrgangs - in vielen OECD-Ländern sind es dagegen 44. Auch bei anderen naturwissenschaftlich-technischen Fächern ist die deutsche Absolventenquote im OECD-Vergleich ähnlich gering."
Auch das ist sicherlich beklagenswert. Andererseits haben deutsche Ingenieure aufgrund ihrer hohen Qualifizierung weltweit einen guten Ruf, sind als Fachkräfte international begehrt und umworben- und hohe Anforderungen sind eben nicht für jeden... Geht es hier also um Ingenieure, oder um gute Ingenieure? Sollte man nicht lieber etwas Optimismus verbreiten, und den Beruf attraktiv machen - nicht zuletzt auch durch Chancen auf dem Arbeitsmarkt?
Immerhin, schon auf Seite 2 erfahren wir ein paar gute Nachrichten:
"Lob gibt es vor allem in zwei Punkten: Bei den Promotionen liege Deutschland international in der Spitzengruppe und sei außerdem eines der beliebtesten Gastländer für ausländische Studenten - auf Platz drei hinter den USA und Großbritannien."
Warum kann denn das nicht einmal ein bisschen elaboriert werden? Schließlich befinden wir uns in einer Exzellenz-Initiative und Elite-Debatte! Da wollen wir doch auch einmal hören, wie gut wir sind!
Lesen wir dagegen direkt die Auszüge aus dem OECD-Bericht , verschiebt sich die Perspektive:
"Zählt man Abiturienten und sämtliche Lehrabschlüsse zusammen, dann haben in der Bundesrepublik 83 Prozent aller 25- bis 64-Jährigen einen solchen Sekundar-II-Abschluss - im Vergleich zu 63 Prozent im OECD-Schnitt. Mit dieser Sek-II-Basisqualifikation für den Beruf kommt Deutschland im weltweiten Vergleich auf Platz 9."
Und vergessen wir nicht: in vielen Ländern, vor allem aber im ach-so-gepriesenen amerikanischen Bildungssystem, muss man aufs College gehen, um Schreiner, Elektriker oder MTA zu werden - alles Berufe, die in Deutschland mittels Lehre und Berufsschule vermittelt werden. Oder anders herum: nicht jeder amerikanische College-Degree ist ein "akademischer Abschluss" im deutschen Sinne. Die niedrige Akademikerquote, die immer bejammert wird, existiert daher eigentlich nicht: 83 % der Deutschen haben vielmehr eine Ausbildung, die mindestens dem Niveau eines BA von einem amerikanischen Community-College entspricht. Ich finde, das klingt gar nicht so schlecht.

Trotzdem bleibt natürlich noch vieles zu tun, vor allem in der Förderung von Schülern und Studierenden aus bildungsfernen Familien.

http://www.amazon.de/Bildung-auf-einen-Blick-OECD-Indikatoren/dp/3763935045/ref=sr_1_1/302-6878176-2363261?ie=UTF8&s=books&qid=1190226204&sr=1-1
http://magazine.web.de/de/themen/beruf/bildung/schule/4654882-Deutschland-sackt-weiter-ab,articleset=4658346,cc=000005481100046548821ctFRb.html

Dieser Artikel ist ein Update zu: google fragt: Was essen die Amazoner?

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