Dienstag, 28. August 2007

Lehre für die Ehre.


Immer wieder, so scheint es, verweist Google Hilfe-und Informationssuchende auf meinen Blog, wenn sie wissen wollen, was Akademiker, vor allem Geisteswissenschaftler denn so verdienen. Das ist löblich, auch wenn ich die Frage kaum beantworten kann. Eines aber ist sicher: viel ist es nicht, wenn sie an der Uni bleiben wollen. Denn, so schreibt Ulrich Oberdiek, in Deutschland lehrt man für die Ehre und aus Idealismus. Wer davon leben möchte, muss hingegen auswandern.
Ich zitiere:
"Der größte Sponsor deutscher Hochschulen ist die Gruppe der Privatdozenten (PDs) und Lehrbeauftragten (LBs). Seit vielen Jahrzehnten ist es in Deutschland üblich, sie an Hochschulen quasi gratis arbeiten zu lassen - tausende Personen (Statistisches Bundesamt 2002: 45 018 LBs und rund 5 000 PDs), die für den staatlichen Arbeitgeber mehr oder weniger kostenlos und dauerhaft, d.h. fest eingeplant, lehren. [...] PDs und LBs stellen rund 25 Prozent der Lehre an den Hochschulen."
Da ja nun die Hochschulen wirtschaftlich arbeiten sollen, und dabei oft der Eindruck entsteht, das bedeute "wie in der freien Wirtschaft", sollte man die Situation einmal unter diesem Aspekt betrachten:
"Übertrüge man die Inanspruchnahme der quasi ehrenamtlichen Lehre auf die Wirtschaft, so würde dies heißen, dass ein großes, landesweit tätiges Unternehmen - sagen wir Siemens oder Daimler - etwa ein Drittel seiner hochqualifizierten Ingenieure für ihre Tätigkeit nicht bezahlen würde - mit dem Hinweis, es sei eine Ehre, im Unternehmen zu arbeiten."
Stimmt. Besonders wirtschaftlich ist das nicht. Zumindest könnte man das so in der Freien Marktwirtschaft wahrscheinlich nur schwer durchsetzen - selbst die vielgescholtene Praktikantenausnutzung kann da nicht so recht mithalten, sind doch PDs und LBs hochqualifizierte und (im Unibetrieb) erfahrene Menschen. Aber es spart natürlich viel Geld.
In einer Musterrechnung führt Oberdiek vor, dass LBs mit Glück zwischen 200 und 500 Euro pro Semester pro Lehrveranstaltung (2 SWS) verdienen. Für Nicht-Akademiker: 2 Semesterwochenstunden heisst, eine Veranstaltung über 2 Stunden pro Semesterwoche, für ca 16 Wochen, plus Vorbereitung, plus Prüfungen/Korrekturen, plus Betreuung/Sprechstunden. Ein Prof, und selbst ein festangestellter wissenschaftlicher Mitarbeiter erhält umgerechnet für die gleiche Leistung 3 750 Euro.
Uups.
Oder, wie sagte der damalige Kultusminister von Baden-Württemberg einmal auf dieses Thema angesprochen: "Schön, dass es noch Idealisten gibt."

Der ganze Artikel in Forschung und Lehre 8/2007. Und hier.
Nur schade, dass diese Informationen wieder nur in internen Blättern erscheinen: über die Gehälter von Lokführern, sächsischen Friseurinnen und anderen bei VERDI organisierten Personengruppen wissen deutlich mehr Menschen Bescheid. Vielleicht sollten die PDs und die LBs auch einmal auf die Straße gehen?
Übrigens: am Beispiel der Schweiz ist auch schon einmal nachgewiesen worden, dass höhere Bildung nicht gegen Arbeitslosigkeit hilft. Aber dafür ist es jetzt wohl zu spät.
http://www.academics.de/portal/action/magazine?page=0&nav=30283
Dieser Artikel ist ein Update zu: Mindestlohn für Akademiker (2)

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