Nicht schlecht. Thomas W. Gaehtgens übernimmt die Leitung des Getty Research Centers. Schreibt die FAZ - und meint damit die Berufung: "Es gibt Fälle, in denen das Wort spektakulär wie eine nüchterne Beschreibung wirkt. [...] Das Forschungsinstitut ist Teil der ungeheuer reichen Getty Stiftung mit ihren im Zeitraum eines Vierteljahrhunderts zusammengetragenen Kunstsammlungen. Mit mehr als zweihundert Mitarbeitern dürfte es in der Welt kaum ein zweites Institut von vergleichbarer Ausstattung geben."
Kann man sich das nun zum Vorbild nehmen? Wie sieht denn so eine beispielhafte Wissenschaftlerkarriere aus?
Promotion 1966, mit 26 Jahren. Das war damals der erstmögliche Abschluss, und ist daher vielleicht gar nicht so erstaunlich jung, wie es heute aussieht. Unsereins muss sich aber natürlich erst durch Bachelor, Master, oder auch Magisterstudium quälen, bis wir eine Dissertation schreiben dürfen. Jede Prüfung (und vor allem die geforderten schriftlichen Arbeiten) verzögert das Studium um etwa ein Jahr... Eine durchschnittliche Dissertation dauert drei bis fünf Jahre, je nach Fragestellung und finanzieller Situation.
Fazit: Das läßt sich kaum aufholen. Otto-und-Anna-Durchschnittskunsthysteriker sind heute wahrscheinlich 30-32 bei Abschluss der Diss.
Assistentenstellen. Habilitation 1972, mit 32 Jahren. Professur in Göttingen. Wow. Da haben wir gerade erst die Diss abgeschlossen. Assistentenstellen sind so rar wie, wie, wie irgendwas sehr seltenes, von dem man aber schon gehört hat. Aber einmal angenommen wir starten übergangslos in die Habil, ohne zeitverzögernde Familiengründungsauszeiten oder Brot-und-Butter-Berufe, dann brauchen wir im Schnitt ca. 6 Jahre und sind dann 36 oder 38 Jahre alt. Leider bekommen wir dann noch keinen Ruf, weil erstens die Stellen gerade gestrichen wurden, zweitens, eine Neuberufung drei Jahre dauert, und drittens, man ja noch kaum Lehrerfahrung hat, das junge Fohlen also noch ein paar Jahre auf die Weide geschickt werden muss. Zwei bis vier Jahre Semestervertretungen als Privatdozent sind nicht ungewöhnlich.
Fazit: Jetzt hängen wir schon fast zehn Jahre hinterher...
1979 Forschungsjahr in Princeton. 1985 Forschungsjahr am Getty Research Center. Hier steigen wir wieder ein: Auslandsstipendien, Fellowships, Lehraufträge in den USA sind dank elaborierter Stipendiensysteme des In-und Auslandes (DAAD, DFG, Fulbright etc) auch für uns schon vor dem Erhalt eines eigenen Lehrstuhls erhältlich. Zum Glück: für viele von uns ist das mangels (Assistenten-)Stellen an der Uni die einzige Möglichkeit, weiter wissenschaftlich zu arbeiten. Und glücklicherweise sind gerade die Unis in den USA der Meinung, dass Nachwuchswissenschaftler neue Ideen mitbringen und gefördert werden müssen. Mit dem zunehmenden Druck der Internationalisierung und Globalisierung auch in den Wissenschaften haben die meisten von uns wahrscheinlich schon während des Studiums ein Erasmus-Jahr abgelegt.
Fazit: Im Ausland forschen können wir alle, und tun's auch. Princeton und Getty ist natürlich sehr renommiert, aber theoretisch möglich. Englisch ist das neue Latein. Natürlich kriegt man wahrscheinlich Vorwürfe, den Brain-Drain zu verkörpern, aber dagegen können wir dann auch nichts tun.
1980 bis 2006 Professor an der FU Berlin. Seit 1997 Gründer und Direktor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris. Tja. Seit 1980, ach was red ich, seit 1995 sind 12% der Stellen in den Geisteswissenschaften abgewickelt worden. Bei steigenden Studierendenzahlen. Die Wahrscheinlichkeit, sechsundzwanzig Jahre lang einen Lehrstuhl innezuhaben, ist also deutlich geringer als Herr Gaehtgens sie hatte. Aber möglich. Die Gründung des Deutschen Forums hingegen können wir ihm nicht mehr nachmachen. Zumindest nicht in Paris. Und in Italien gibt's schon die Bibliotheca Hertziana (Rom) und das KHI in Florenz. Dort können wir uns natürlich überall bewerben. Für Neugründungen müssen wir uns aber ein anderes Land suchen. Aber hey, was soll's: der Osten ruft - wozu gibt's denn eine EU-Osterweiterung?
Fazit: Wenn wir erst die Drittmittel haben, steht uns Polen offen!
1999 das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, 2004 die Ehrendoktorwürde des renommierten Courtauld Institute of Art der University of London, Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres, Ritter der französischen Ehrenlegion.
Qualität zahlt sich offenbar aus. Hier kann man nur hoffen, streben und fleissig sein. Fazit: das ist schon eine ganz schön schwer aufzuholende Vorlage.
Und jetzt das: mit 67 ein ganz neuer Start in Kalifornien, fernab von Frankreich, und erst recht der verkrusteten deutschen Forschungslandschaft. Wenn wir unsere besten Leute in Rente schicken, schlägt das weltweit größte und reichste Forschungsinstitut zu. Ein Brain-Drainer par excellence!
Fazit: Ha! Nach der Rente kann noch alles kommen? Tröstliche Aussichten! Aber vielleicht sollten wir uns die Umwege sparen und jetzt schon auswandern?
http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~E7E297719A7DA410183B92C8AF1175964~ATpl~Ecommon~Scontent.html http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~EE49D0760C28141B088179557D46713AC~ATpl~Ecommon~Scontent.html
http://www.fu-berlin.de/presse/fup/2006/fup_06_148.html
Kann man sich das nun zum Vorbild nehmen? Wie sieht denn so eine beispielhafte Wissenschaftlerkarriere aus?
Promotion 1966, mit 26 Jahren. Das war damals der erstmögliche Abschluss, und ist daher vielleicht gar nicht so erstaunlich jung, wie es heute aussieht. Unsereins muss sich aber natürlich erst durch Bachelor, Master, oder auch Magisterstudium quälen, bis wir eine Dissertation schreiben dürfen. Jede Prüfung (und vor allem die geforderten schriftlichen Arbeiten) verzögert das Studium um etwa ein Jahr... Eine durchschnittliche Dissertation dauert drei bis fünf Jahre, je nach Fragestellung und finanzieller Situation.
Fazit: Das läßt sich kaum aufholen. Otto-und-Anna-Durchschnittskunsthysteriker sind heute wahrscheinlich 30-32 bei Abschluss der Diss.
Assistentenstellen. Habilitation 1972, mit 32 Jahren. Professur in Göttingen. Wow. Da haben wir gerade erst die Diss abgeschlossen. Assistentenstellen sind so rar wie, wie, wie irgendwas sehr seltenes, von dem man aber schon gehört hat. Aber einmal angenommen wir starten übergangslos in die Habil, ohne zeitverzögernde Familiengründungsauszeiten oder Brot-und-Butter-Berufe, dann brauchen wir im Schnitt ca. 6 Jahre und sind dann 36 oder 38 Jahre alt. Leider bekommen wir dann noch keinen Ruf, weil erstens die Stellen gerade gestrichen wurden, zweitens, eine Neuberufung drei Jahre dauert, und drittens, man ja noch kaum Lehrerfahrung hat, das junge Fohlen also noch ein paar Jahre auf die Weide geschickt werden muss. Zwei bis vier Jahre Semestervertretungen als Privatdozent sind nicht ungewöhnlich.
Fazit: Jetzt hängen wir schon fast zehn Jahre hinterher...
1979 Forschungsjahr in Princeton. 1985 Forschungsjahr am Getty Research Center. Hier steigen wir wieder ein: Auslandsstipendien, Fellowships, Lehraufträge in den USA sind dank elaborierter Stipendiensysteme des In-und Auslandes (DAAD, DFG, Fulbright etc) auch für uns schon vor dem Erhalt eines eigenen Lehrstuhls erhältlich. Zum Glück: für viele von uns ist das mangels (Assistenten-)Stellen an der Uni die einzige Möglichkeit, weiter wissenschaftlich zu arbeiten. Und glücklicherweise sind gerade die Unis in den USA der Meinung, dass Nachwuchswissenschaftler neue Ideen mitbringen und gefördert werden müssen. Mit dem zunehmenden Druck der Internationalisierung und Globalisierung auch in den Wissenschaften haben die meisten von uns wahrscheinlich schon während des Studiums ein Erasmus-Jahr abgelegt.
Fazit: Im Ausland forschen können wir alle, und tun's auch. Princeton und Getty ist natürlich sehr renommiert, aber theoretisch möglich. Englisch ist das neue Latein. Natürlich kriegt man wahrscheinlich Vorwürfe, den Brain-Drain zu verkörpern, aber dagegen können wir dann auch nichts tun.
1980 bis 2006 Professor an der FU Berlin. Seit 1997 Gründer und Direktor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris. Tja. Seit 1980, ach was red ich, seit 1995 sind 12% der Stellen in den Geisteswissenschaften abgewickelt worden. Bei steigenden Studierendenzahlen. Die Wahrscheinlichkeit, sechsundzwanzig Jahre lang einen Lehrstuhl innezuhaben, ist also deutlich geringer als Herr Gaehtgens sie hatte. Aber möglich. Die Gründung des Deutschen Forums hingegen können wir ihm nicht mehr nachmachen. Zumindest nicht in Paris. Und in Italien gibt's schon die Bibliotheca Hertziana (Rom) und das KHI in Florenz. Dort können wir uns natürlich überall bewerben. Für Neugründungen müssen wir uns aber ein anderes Land suchen. Aber hey, was soll's: der Osten ruft - wozu gibt's denn eine EU-Osterweiterung?
Fazit: Wenn wir erst die Drittmittel haben, steht uns Polen offen!
1999 das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, 2004 die Ehrendoktorwürde des renommierten Courtauld Institute of Art der University of London, Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres, Ritter der französischen Ehrenlegion.
Qualität zahlt sich offenbar aus. Hier kann man nur hoffen, streben und fleissig sein. Fazit: das ist schon eine ganz schön schwer aufzuholende Vorlage.
Und jetzt das: mit 67 ein ganz neuer Start in Kalifornien, fernab von Frankreich, und erst recht der verkrusteten deutschen Forschungslandschaft. Wenn wir unsere besten Leute in Rente schicken, schlägt das weltweit größte und reichste Forschungsinstitut zu. Ein Brain-Drainer par excellence!
Fazit: Ha! Nach der Rente kann noch alles kommen? Tröstliche Aussichten! Aber vielleicht sollten wir uns die Umwege sparen und jetzt schon auswandern?
http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~E7E297719A7DA410183B92C8AF1175964~ATpl~Ecommon~Scontent.html http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~EE49D0760C28141B088179557D46713AC~ATpl~Ecommon~Scontent.html
http://www.fu-berlin.de/presse/fup/2006/fup_06_148.html
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