Mittwoch, 25. April 2007

Sonette. Triolette.

Ein langes Wochenende steht vor der Tür! Freizeit! Zeit einmal etwas zum Spaß zu Lesen! Wie wäre es mal mit etwas Lyrik? Oder geht es Euch auch so:

"Sonette find ich sowas von beschissen,

so eng, rigide, irgendwie nicht gut;

es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,

daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut

hat, heute noch so’n dumpfen Scheiß zu bauen;

allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,

kann mir in echt den ganzen Tag versauen.

Ich hab da eine Sperre. Und die Wut

darüber, daß so’n abgefuckter Kacker

mich mittels seiner Wichserein blockiert,

schafft in mir Aggressionen auf den Macker.

Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.

Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:

Ich find Sonette unheimlich beschissen.

(Robert Gernhardt: Materialien zu einer Kritik der bekanntesten
Gedichtsform italienischen Ursprungs
)


Heutzutage lesen ja leider nicht mehr viele Leute Gedichte, und ich selber bin keine Ausnahme.
Und wenn doch, dann in aufbereiteten Häppchen, leicht verdaulich, am besten ein bisschen witzig. Reclam ist gut darin, kleine Portionen Lyrik für die Jackentasche zu produzieren. "Heine zum Vergnügen" etwa, oder irgendetwas von Robert Gernhardt. Oder Ringelnatz. Oder Morgensterns "Galgenlieder". Alles Klassiker. Alles vielleicht ein bißchen banal, könnte man meinen, abgedroschen. Oft zitiert, ja, denn diese Dichter sind leicht zugänglich, gerade wegen ihres Humors. Man liest bis zur Pointe, lacht, liest weiter. Viele Menschen hören an dieser Stelle auf, und das sind auch die, die Morgenstern banal finden. Oder Wilhelm Busch. Der Trick ist, nicht weiterzulesen, sondern erneut zu lesen.
Deshalb sind die kleinen Reclam-Heftchen ideal. Denn man darf einen Gedichtband nicht von vorne nach hinten lesen wie einen Kriminalroman - wenn man sein Ende kennt, ist er nicht mehr spannend. Ein gutes Gedicht hingegen wird erst spannend, nachdem man es kennt. Wenn man beim erneuten Lesen nicht nur dem Klang der Worte folgt, sondern sich vom Rhythmus der Zeilen den Atem kontrollieren läßt. Und auf einmal bemerkt, wie streng die Form ist, die dem Stück zugrunde liegt, Metrum, Reimschema, Strophen.

Vor nicht allzulanger Zeit haben Dichter in diesen strengen Formen eine Begrenzung gesehen, eine Einschränkung ihrer poetischen Kraft. Dabei entfaltet sich diese doch erst im geschickten Bezug auf diese Regeln, und manchmal liegt der ganze Witz - wobei die Pointe nicht immer zum Lachen sein muss - im kalkulierten Brechen der Erwartung.
Im Guardian führt uns Carol Rumen führt einen mitten hinein in die wunderbaren Möglichkeiten der strengen Form des Trioletts:

"O why do you walk through the fields in gloves,
Missing so much and so much?
O fat white woman whom nobody loves
Why do you walk through the fields in gloves
When the grass is as soft as the breast of doves
And shivering sweet to the touch?
O Why do you walk through the fields in gloves,
Missing so much and so much?
(Frances Cornford, 'To a Fat Lady seen from the Train')

I first read this poem at school and, while admiring its technical
skill, felt mildly irritated by the rhyme-driven assumption about the
protagonist's character. How did the poet know that the fat woman was not an
adored and adorable person with masses of friends and a deep love of nature,
merely dressed for church or some such formal event? Later, I discovered
Housman's wickedly twinkling, and rightly foreshortened, six-line parody:

Oh why do you walk through the fields in boots
Missing so much and so much?
Oh fat white woman whom nobody shoots
Why do you walk through the fields in boots
When the grass is as soft as the breast of coots
And shivering sweet to the touch?"


Der Witz ist eben oft nur vordergründig. Aber er ist ein guter Köder. Weiterlesen kann man hier:

http://www.fulgura.de/sonett/karussel/steuern/1zufall.htm
http://www.reclam.de/

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