Tief im Herzen bin ich wohl doch eine lupenreine Kapitalistin, auch wenn ich offenbar lange hinter dem Mond gelebt habe. Das Leben im universitären Biotop führt dazu, dass viele Dinge, die außerhalb des öffentlichen Dienstes normal erscheinen, staunenswert wirken. Durchschnittliche Stundenlöhne, zum Beispiel: "draußen" scheint der "Meister" mehr zu kriegen als der "Geselle" oder "Lehrling" - zumindest sieht das auf den Handwerkerrechnungen so aus.
Drinnen (im Universitätssystem) erhält ein habilitierter Privatdozent (man denke sich überall weibliche Endungen) zwar einen höheren Stundenlohn als beispielsweise ein "nur" Promovierter, oder gar eine studentische Hilfskraft - dafür aber wird die Anzahl der zu vergütenden Stunden so vermindert, dass manche Hilfskräfte netto genauso viel bekommen wie die Lehrbeauftragten. Irgendwann findet man das normal. Alle machen mit: stützt das System, das ist kurzfristig billiger. Aber die Besten hält man so nicht in der (universitären) Forschung.
(Bildnachweis)
Oder Urlaubsgeld: offenbar gibt es nicht wenige Menschen, die bekommen nicht nur Geld vom Arbeitgeber, dafür dass sie sich von der harten Arbeit erholen (bezahlter Urlaub, finde ich gut), sondern sogar noch ein Taschengeld obendrauf (Urlaubsgeld - Hallo, geht's noch?)
Als ich das zum ersten Mal gehört habe - ich gebe zu, das war spät, ungefähr letztes Jahr im September - bin ich richtig wütend geworden! Kein Wunder, dass die Lohnnebenkosten so immens hoch sind und mein Netto nur ein Drittel des Arbeitgeberbruttos ist! Natürlich tät ichs nähmen, wenn ich es bekäme (was aber wohl nicht der Fall ist), aber wenn es abgeschafft wird, verstehe ich das eben auch. Es ist nur ein Zuckerli, das m. E. mehr schadet als es nutzt: für das Geld könnten besser neue Stellen geschaffen werden. Für ihre Freizeit können die meisten (voll berufstätigen) Menschen auch so Geld ausgeben.
Im Moment profitiere ich allerdings noch nicht einmal von meinem bezahlten Urlaub. Von meinen siebzehn Urlaubstagen stehen mir zumindest noch siebzehn zu. Der Vertrag läuft aber am Freitag aus. Nun gut, er wird verlängert, aber den Urlaub muss ich bis September nehmen, sonst verfällt er. Auszahlen lassen ist leider keine Option, obwohl ich davon mehr hätte.
Nun - selber Schuld - ich hätte natürlich längst Urlaub nehmen können. Aber die ersten sechs Monate war Urlaubssperre, und ab September war Semester - wissenschaftliche Mitarbeiter sollen im Semester möglichst keinen Urlaub nehmen. Nun ist vorlesungsfreie Zeit, aber mein preußisches Pflichtgefühl lähmt mich. (Wohlgemerkt: es hat mich auch vorher gelähmt - ich hätte jeden beantragten Urlaub auch genehmigt bekommen, so fair sollte ich sein.) Man muss es aber einfach zugeben: wahrscheinlich läuft der Betrieb auch ohne mich. Ich sollte mal frei nehmen. Langfristig sichert weniger arbeiten manchmal den Arbeitsplatz, ganz sicher die Arbeitskraft. Besser wäre das. In der freien Wirtschaft werden Menschen "gezwungen" Urlaub zu nehmen -erholte Mitarbeiter sind langfristig besser für das System: produktiver, und billiger als Kranke oder Neue.
(Bildnachweis - kein Buchtipp!)
Oder die Umweltprämie: Dank ihr kauft ganz Deutschland wie blöde Autos, weil die Automobilbranche ja gestützt werden muss - und gut für die Umwelt soll es auch noch sein. Dabei ist ein darwinistisches Sterben-lassen (zusammen mit einer tiefgreifenden, staatlich geförderten Strukturwandel, wie beispielsweise im Ruhrgebiet) ja eigentlich das Beste, was der Branche auf lange Sicht passieren kann. (Nicht für die Menschen, die bei Opel arbeiten - schon klar. Das ist ja das Dilemma.) Alte Technologien gehen ein, aber sie schaffen Raum für "Mutationen" - neue, modernere, nachhaltigere Entwicklungen. Elektro oder Hybrid oder ganz was Neues - wer weiß? - kann sich nur etablieren, wenn Tyrannosaurus 8-Zylinder ausstirbt. Die "Umweltprämie" soll der Autoindustrie helfen und dabei die Umstellung auf neue, umweltfreundlichere Autos fördern. Statt aber wirklich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, fördert sie nur den Kauf von klassischen Autos - ökologisch ist das nicht. Wirklich nachhaltige Konzepte - wie eine Förderung von Menschen, die ganz aufs Auto verzichten - gibt es nicht.
Der Verkehrsclub Deutschland hat da zwar eine Idee:
Aber was hilft's? Besser hunderttausend Arbeitsplätze in einer anachronistischen Branche, als Investitionen in eine unsichere Zukunft - da weiß man was man hat. Und die Arbeiter einer neuen, noch unbekannten Schlüssel-Industrie in einer fernen Zukunft wählen leider nicht in der nächsten Bundestagswahl. Gut, dass die Kapitalisten der Industriellen Revolution mehr Risikobereitschaft hatten als die Kapitalisten der Informationsgesellschaft - aber die hatten ja auch so wenig zu verlieren, sie konnten nur gewinnen.
Links:
https://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,390169,00.html
http://www.amazon.de/Nie-mehr-arbeiten-bezahlter-Kompakt-Seminar/dp/3940725013
http://de.wikipedia.org/wiki/Urlaubsgeld
http://de.wikipedia.org/wiki/Umweltpr%C3%A4mie
http://www.vcd.org/umweltpraemie_jetzt.html
Montag, 9. März 2009
Anfängerkapitalismus. Umweltprämie.
notiert unter
alle doof außer ich,
Einblicke in den Elfenbeinturm,
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