Donnerstag, 3. Januar 2008

Paupertas Leprae Species... nicht qualifiziert für ALG II?


Paupertas vitium non est: sordet tamen omnis
Pauper, & egregio semper honore caret.
Est leprae species: qua si teneare, propinquum
(Excuses quamvis omnia) nemo volet.

Ja, lateinisch bloggen, das kann ich! Aber ALG II beantragen, das ist nicht so einfach. Der zweite Anlauf führte mich heute immerhin zum richtigen Arbeitsamt. Dank frühen Aufstehens und sehr freundlicher Mitarbeiter hat das auch gar nicht weh getan. Jetzt habe ich also den ersehnten Bescheid mit Stempel, dass ich keinen Anspruch auf ALG I habe.
Weiter geht's zum Jobcenter, natürlich am anderen Ende der Stadt. Mitte ist groß. Das Jobcenter in der Sickingenstraße zu finden ist nicht schwer: Ringbahn bis Beusselstraße und dann einfach hinten an die Schlange anstellen. Die Arbeitslosen im Jobcenter sind offensichtlich deutlich arbeitsloser als die Arbeitslosen in der Arbeitsagentur. Das sieht man gleich. Hinter mir in der Schlange wird gefachsimpelt - man kennt sich hier aus. Schon 20 Minuten später bin ich im Gebäude drin. Weitere 10 Minuten später sorgt eine kleine Schlägerei für Abwechslung und das beschleunigte Vorrücken der Schlange um die Anzahl der beteiligten, vom Sicherheitsdienst zügig entfernten Personen. Am Empfang bekomme ich einen Zettel, auf dem steht, vor welchen Zimmertüren ich warten soll. Im dritten Stock ist die Beschriftung aber verwirrend: vierstellige Zimmernummern und eine merkwürdige Aufteilung in gerade und ungerade Flure (glaube ich) sind der schnellen Orientierung nicht dienlich. Ich setze mich im vermuteten Bereich und lese die Broschüre über ALG II. Ab und zu öffnen sich Türen, Jobcenter-Angestellte mit Aktenpaketen kommen heraus, schließen ab, gehen ein Büro weiter und verschwinden. Manchmal wird jemand aufgerufen. Ich lese einige Seiten in "Professionelle Bewerbungsberatung für Hochschulabsolventen". Um mich herum beginnen türkische Großfamilien ihr Mittagessen, Menschen werden aufgerufen und vermutlich beraten. Ich verschiebe meinen 13-Uhr-Termin. 110 Seiten Bewerbungstips gelesen. Vorsichtig frage ich nach, welche Kriterien beim Wartenden zur Erlösung führen. Falscher Buchstabe? Falsche Tür! Abitur und Magisterabschluss schützen nicht vor einfacher Dummheit. Immerhin geht es jetzt schnell, die Dame - die mich angeblich mehrfach vergeblich aufgerufen hat, nur eben fünf Meter weiter links - schiebt mich dazwischen. Leider ist sie nicht zuständig, denn Studierende haben einen theoretischen Anspruch auf Bafög. Praktisch habe ich den nicht, aber ich könne mich ja beurlauben lassen, das würde reichen. Immerhin habe ich 284 Euro Rückmeldung gezahlt, das Semesterticket gilt noch 3 Monate. 20 Seiten Formulare zum Ausfüllen druckt sie mir freundlicherweise auch gleich aus und rät mir, telefonisch einen Termin zu vereinbaren. Bzw. es zu versuchen, denn garantieren kann sie nichts. Es ist halb zwei.
(Die Schlange reichte bis zur Straßenecke)
Der Mann vom funkelnagelneuen "CampusCenter" der TU schließt mir die Tür vor der Nase zu. Immerhin erklärt er mir auf Nachfragen, dass Beurlaubungen nur vor Semesterbeginn möglich sind, rückwirkend schon gar nicht, und zum Erwerb von Hartz-IV-Ansprüchen ohnehin nicht ausreichend seien. Aber wenn ich mich morgen bis 14 Uhr exmatrikuliere, bekomme ich das Semesterticket anteilig zurückerstattet. Muss dann nur alle meine Bücher zurückbuchen, Gästeausweis bestellen, Bücher neu bestellen, und ein Monatsticket kaufen. Fürs Fahrrad ist es mir grad zu kalt. Aber ich hab im Jobcenter einen BVG-Schalter gesehen...
Gut, dass ich außer Diss schreiben nichts zu tun habe. Ich würde mich sonst womöglich langweilen.
Dieser Beitrag ist die Fortsetzung zu Prost Neujahr - ist Hartz IV die Lösung?

2 Kommentare:

Claus R. Kullak hat gesagt…

Na dann willkommen im Regen!

Aber lass mich Dich aufklären: Das soziale Netz funktioniert so, dass Du jetzt als erstes mal Deine Diss abbrichst und einen großen Teil Deines Lebensarbeitsleistung vernichtest (und Deinen Lebenslauf gleich mit), denn - und das ist der Clou - nur wenn es Dir gelingt, Dich so weit herunter zu wirtschaften, dass Du nie wieder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bekommst, hast Du lebenslangen Anspruch auf ALG II. Und das bedeutet: Du kannst endlich Deine Diss wieder aufnehmen.

Auf diese Weise schafft man es auch, so professionell arbeitslos zu werden, wie die Menschen im Jobcenter: Das sind alles eigentlich Promotionsstudenten.

Nebenbei: Hast Du noch eine feste postalische Arbeitsadresse, oder wurdest Du schon von Deinem nicht sozialversicherungspflichtigen Schreibtisch verwiesen?

P. S.: Sind jetzt in Possession. Vielen Dank!

Bleistifterin hat gesagt…

Oha! So geht das also? Na, da bin ich ja auf dem besten Wege...