Mittwoch, 23. Februar 2011

Causa Guttenberg 3. Guttenplag kann nicht die Lösung sein.

In einem Schreibworkshop zur Hausarbeit, den die Leuphana für die Erstsemester angeboten hat, sagte ein Student: "ja aber  ich darf ja gar keine eigene Meinung äußern. ich muss ja alles zitieren!"
Hier kann man sehen, wie ein Student das Prinzip wissenschaftlichen Arbeitens grundlegend mißverstanden hat.
Studierende sollen natürlich ihre eigene Meinung äußern. Aber nicht als diffuses Bauchgefühl, sondern wohlinformiert über den bestehenden Diskurs, und wohlbegründet unter Berücksichtigung bereits vorgebrachter Argumente.Um zu zeigen, dass man den Diskurs kennt, zitiert man ihn. Um dem weniger im Diskurs verhafteten Leser (und das sind im Falle eines Doktoranden alle außer ihm, inklusive Betreuer!) den Diskursverlauf nachvollziehbar zu machen, setzt man Belegverweise. Man knüpft sich ein in ein Netz aus Querverweisen. Und natürlich bewertet man sie auch, auf Grundlage der bekannten Fakten. Das ist schon Wissenschaft.


Hier kann man aber auch sehen, wie m. E. auch die Aktion Guttenplag etwas grundlegend mißverstanden hat. Um den Diskurs wiederzugeben, muss man ihn zitieren. Dass man dabei zum Teil auf Formulierungen stößt, die besser sind, als die eigenen, bleibt nicht aus. Aber tatsächlich ist es nicht unbedingt nötig, etwas "Neues" zu erfinden. Oder sagen wir lieber so: "neu" ist eben manchmal auch die Zusammenstellung bekannter Argumente und Tatsachen in einem ungewöhnlichen Kontext, oder unter einer neuen Fragestellung, oder mit einer neuen Bewertung unter Einbeziehung der bisher nicht berücksichtigten Komponente X. Es geht nicht um die Erschaffung von ETWAS aus NICHTS. Manchmal ist es schon eine promotionswürdige wissenschaftliche Leistung, überhaupt unterschiedliche Gesprächsfragmente zu einem Diskurs zusammenzufügen.
Guttenplag zeigt deutlich und klar, dass Herr zu Guttenberg mehr "Zitatepatchwork" betrieben hat, als für eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit in Ordnung wäre. Daran herrscht kein Zweifel, nicht einmal mehr beim Autor. Es ist gut, dass er diese Fehler endlich eingesehen und eingeräumt hat. Es ist völlig richtig, dass er daraufhin den Doktortitel zurückgegeben hat. Wer so schlampig arbeitet, hat den Titel nicht verdient. Es ist ebenfalls richtig, dass die Affäre damit noch nicht beendet ist.


Ich habe übrigens den Verdacht, dass diese handwerklichen Mängel mit der gängigen Ausbildungspraxis der juristischen Fakultäten zusammenhängt, aber das wäre nur eine Erklärung, keine Entschuldigung. (Die Tatsache, dass besagte handwerkliche Mängel den Prüfern nicht aufgefallen sind, ist allerdings ein Indiz dafür, dass in diesem Fachbereich der Schwerpunkt nicht auf der Vermittlung und Wertschätzung handwerklicher Grundlagen liegt. Aber das ist Spekulation.)

Guttenplag wirft zu Guttenberg allerdings auch vor, eine noch kriminellere Form des Plagiats betrieben zu haben, bei der

The writer properly cites all sources, paraphrasing and using quotations appropriately. The catch? The manuscript contains almost no original work! It is sometimes difficult to spot this form of plagiarism because it looks like any other well-researched document. 
Diese Anschuldigung kann nur der Prüfungsausschuss, bzw. ein Gremium ausgewiesener Fachleute beurteilen. Prof. Fischer-Lescano, der die Affäre losgetreten hat, gehört dazu. Eine Horde anonymer Blogger, die sich zur fröhlichen Ministerjagd versammelt haben,  aber nicht.Viele der solcherart angezeigten Plagiatsstellen sind nämlich wahrscheinlich keine.
Und eine Ministerjagd ist es, leider: das zeigt der Name "Guttenplag" - warum nicht "Ministerplag"?  Wäre doch schön, wenn jetzt alle promovierten Volksvertreter/innen  -- und wenn wir schon dabei sind: alle promovierten Wirtschaftslenker/innen in Entscheidungspositionen -- mit Hilfe der vielberufenen Schwarmintelligenz  überprüft würden. Klappt nicht? Interessiert keinen?
Eben.
Drum.
Schade eigentlich.

Keine Kommentare: