Sonntag, 18. April 2010

Schein vs. Credit. Nach dem Semester ist vor dem Semester.

Laut UniSPIEGEL hat der Kapitalismus in den USA die Universitäten erreicht.
Damit meine ich nicht die Tatsache, dass die privaten Ivy-League Universiäten ihr (privates) Vermögen in der Finanzkrise verloren stark reduziert haben. Vielmehr soll das Outsourcing inzwischen bei der Korrektur der Prüfungsleistungen angelangt sein: einfach nach Asien schicken, wo die Korrekturen im Akkord und per Stückpreis erledigt werden, noch dazu zuverlässig innert weniger Tage.
Glaubt man der Homepage, brechen für die Arbeitenbenotung in Billiglohnländern, das sogenannte "Outgrading", große Zeiten an. Studenten erhielten ausführliches und professionelles Feedback auf ihre schriftlichen Erzeugnisse, und Professoren bleibe mehr Zeit für die Lehre von Angesicht zu Angesicht, so das Verkaufsargument von EduMetry.
Leider hat die Sache einen Haken: Wenn ich die Hausarbeit/den Essay/das Referat/die Prüfungsleistung nicht gelesen/gehört und korrigiert habe - was bleibt denn dann noch von der Lehre "von Angesicht zu Angesicht"? Denn der wichtigste Teil der Lehre, oder sagen wir, der Teil der Lehre, bei dem die Studierenden idealiter am meisten lernen können, das ist ja nun mal der Kommentar zur Prüfungsleistung (Hausarbeit). Vermittelt vorzugsweise in der Sprechstunde, bei einer mehr oder weniger ausführlichen Besprechung der Prüfungsleistung (Hausarbeit)!

Studierende heute (möglicherweise war das früher nicht anders, man soll ja nicht von sich auf andere schließen) also Studierende heute sind allerdings leider häufig gar nicht daran interessiert, etwas zu lernen.
Stattdessen wollen sie ihre Note wissen - ohne Kommentar. Ob die 2,3 die beste Note unter lauter Dreiern oder das Letzte unter lauter Einsern war - interessiert nicht. Was gefehlt hat, um die 2,3 zu einer 1,7 oder gar einer 1,0 hochzureißen (Aufbau? Methodik? verwendete Literatur? Formalien?)  - egal!
Das wiederum kommt denjenigen unter den Lehrenden entgegen, deren Benotung auf der altbewährten Methode Eins-Null-nich-'meckern-nich'-fragen beruht - denn eigentlich sollte auch eine 1,0 begründet werden - sonst bleibts beim Glückstreffer und hilft dem Empfänger der Note nicht dabei, seine Leistung korrekt einzuschätzen.
Diese Lehrenden gibt es - man muss aber zur Ehrenrettung eines unterbezahlten Berufsstandes hervorheben: diese Einstellung ist sehr viel seltener als das Klischee vermuten lässt.  Dies ist das Klischee:
Korrigieren Dozenten hierzulande Studienarbeiten, gehen sie mit der roten Tinte oft sehr sparsam um: Jungfräuliche Seitenränder, auf den Seiten 11 und 18 mal eine Alibi-Bemerkung eingestreut, dazu die Note, gewürzt mit einem allgemeinen Kommentar. Das zeugt von Zeitmangel, Unlust oder beidem zugleich.
Die Realität besteht darin, dass Lehrbeauftragte hunderte von Kilometer anreisen, um 5-6 Stunden am Stück Hausarbeiten zu besprechen. Oder zweiseitige getippte Kommentare beifügen, die die Notengebung begründen. Oder die Studierenden per E-Mail/Telefon zur Nachbesprechung animieren wollen. Wohlgemerkt: Lehrbeauftragte bekommen in der Regel ihre Korrekturzeit nicht bezahlt!
Und zum Glück gibt es auch die Studierenden, die für dieses Feedback dankbar sind. Und es sich zu Herzen nehmen. Und nicht wegen einer 3,7 vor den Prüfungsausschuss ziehen. 


Links:
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,687933,00.html#ref=nldt
Bildquelle:
http://www.leuphana.de/fileadmin/user_upload/header_images/Default/square/start_mitte.jpg

2 Kommentare:

Cati Basmati hat gesagt…

Das sind dann so die Momente, wenn ich die heutige Unilandschaft nicht mehr verstehe. Aber das war ja auch schon früher nicht anders. Wobei "früher" ja mal gerade ein paar Jährchen her ist.
Als Student war ich nämlich jemand, der es wissen wollte. Und dann als Lehrbeauftragte jemand, der mit solchen Erklärungen nicht hinterm Berg hielt. Manchmal waren die Studenten dann aber auch ganz überrascht, dass sie mich das überhaupt fragen konnten und ich eine Antwort hatte.
Erzieht die heute keiner mehr zur gesunden Neugier? Wahrscheinlich hat da keiner mehr Zeit zu. Schade eigentlich.

Bleistifterin hat gesagt…

Ach Cati, ich glaube tatsächlich, das war immer schon so... Es ist ein Faktum, dass diejenigen, die in der Schule "Streber" waren, in der Uni besser klarkommen. Und was zeichnet den Streber aus?
Genau!
Traurig ist nur, dass heute all die Nicht-Streber an die Uni gehen. Und dass sie diese merkwürdige, häufig übrigens aufgesetzte und anerzogenen Herablassung gegenüber nicht-direkt-anwendbarem Wissen mitbringen.
Man hätte Soziologie studieren sollen.Wir Bildungsbürger sind als Leitbild eben aus der Mode - damit können wir nicht umgehen.