Freitag, 31. August 2007

Alles. Außer Hochdeutsch.

Seit heute lebe ich wieder in Tübingen.

Nicht weil ich in Berlin gescheitert wäre, nein, das ganze ist nur temporär. Ich kann hier einfach vier Wochen "Urlaub" in der bewährten Form machen, das heißt, indem ich deutlich früher aufstehe als ich es normalerweise tun würde, um vormittags von 9 bis 13 Uhr zu arbeiten - was sich in meinem normalen Alltag stets als völlig unpraktikabel erweist.
Merkwürdigerweise klappt es immer, wenn ich offiziell frei habe. Vielleicht, weil es nur für einen Monat ist. Oder weil man im Urlaub ganz andere Sachen machen soll - und auch macht - als im Alltagsleben.

Also werde ich in den kommenden Wochen eine kleine Gruppe amerikanischer AusstauschstudentInnen mittels eines Intensivsprachkurses auf das Studium an einer deutschen, was sage ich, schwäbischen Universität vorbereiten. Frei nach dem Motto des Landes Baden-Württemberg wird meine erste Aufgabe natürlich sein, den armen Studies zu erklären, dass sie zum Hochdeutsch lernen hier natürlich völlig falsch sind -- aber deshalb sind sie ja auch gar nicht hier.
Vielmehr sind sie fast alle erst 19 oder 20, und zum ersten Mal im Lande des unbeschränkten Alkoholkonsums. Von Trips nach Amsterdam gar nicht zu sprechen...

Ich freu mich richtig drauf. Und meine alten Freunde, so sie denn überhaupt noch hier wohnen, kann ich bei der Gelegenheit auch noch besuchen.
Und natürlich habe ich meinen Laptop dabei, und bin, wie man sieht, auch online. "Normale" Arbeit an der Diss ist also - theoretisch - auch noch möglich.
Und falls nicht - na, dann kann ich die Rückkehr zur Arbeit in Berlin kaum noch erwarten!

Mittwoch, 29. August 2007

Bücher sind Lebensmittel. August

Dieser Monat war vergleichsweise lesearm. Das hat mehrere Gründe: erstens habe ich viele schöne Abende mit den Gilmore Girls, und meinem neuen Freund Herrn Dr. House verbracht. zweitens habe ich viele Abende mit meiner Dissertation und mehreren Deadlines verbracht. Drittens habe ich tatsächlich auch echte Freunde, die mich besuchen und mit denen ich Zeit verbringen kann und will. Und viertens habe ich mich durch ein dickes fettes Sachbuch gequält - in der Zeit hätte ich drei Romane lesen können.

Habe ich aber nicht.

Aber ganz ohne Belletristik ging es natürlich nicht: Lis Künzli hat eine hübsche Anthologie zum Thema Bahnhöfe geschrieben: Bahnhöfe. Ein literarischer Reisebegleiter. Gut zusammengestellte Exzerpte bekannter und weniger bekannter Literatur, mit einer kurzen Einführung in den Kontext und genauer Angabe, wie man den Rest des Buches finden kann, sollte man auf den Geschmack gekommen sein. Natürlich geht es nicht um Bahnhöfe - sie dienen nur als Kulisse - sondern um die Menschen, die sich darin bewegen. Neugierig auf mehr macht es allemal.

Und eine Ausnahme gab es natürlich: der Hinweis auf W. G. Sebalds Meisterstück Austerlitz. Die ausführliche Bauanalyse des Antwerpener Hauptbahnhofs bei der ersten Begegnung des Erzählers mit dem Protagonisten war mir natürlich schon bekannt - jetzt habe ich mir den Roman aber doch auch noch einmal gekauft. Ein dichter Text, mit langen Sätzen und fast ohne Absätze, und trotz oder wegen der altmodischen Prosa eigentümlich fesselnd. Schönes Buch.


Neugierig gemacht durch eine Vorschau im Kino habe ich mir von Philip Pullman die Dark-Materials-Trilogie gekauft: Der Goldene Kompass soll Weihnachten ins Kino kommen. Ob Das Magische Messer (the subtle knife) und Das Bernstein-Teleskop (the amber spyglass) auch noch verfilmt werden sollen, weiss ich nicht - aber irgendwie kann ich es mir kaum vorstellen. Nicht wegen der Geschichte, keineswegs: die Charaktere sind liebenswert und gut gezeichnet, die Handlung ist spannend erzählt bis zuletzt. Aber im ersten Teil ist eben auch noch nicht absehbar wie häretisch, ja blasphemisch sich die Geschichte entwickelt, und zwar in der Tradition von William Blake und Milton's Paradise Lost - lieber ein Fürst in der Hölle als ein Sklave im Himmel. Diese Tradition zu Ende zu denken, mit moderner Quantentheorie und Teilchenphysik zu verbinden und die Ergebnisse in einer Hollywood-Produktion weltweit unters Volk zu bringen, kann meiner Meinung nach nicht im Sinne des amerikanischen Bible-Belt sein... Es wundert daher nicht, dass der Autor Engländer ist. Ein sehr empfehlenswertes Buch ist es allemal!


Ach ja. Die Non-Fiction für diesen Monat bestand aus Richard Slotkin's Klassiker Regeneration through Violence, in dem er die Mythologie der amerikanischen Frontier analysiert. Und weil es so interessant war habe ich eben deutlich mehr gelesen, als die drei für meine Diss relevanten Kapitel. Mit dem Ergebnis, dass ich jetzt das dringende Bedürfnis habe, alle von J. F. Cooper's Lederstrumpf-Romanen zu lesen. Das hat man dann davon.
Und dann ist mir noch Andrew M. Butler's Pocket Essential mit einer Zusammenfassung aller Bücher von Pratchett in die Finger gefallen - ein netter Überblick für Fans, mit kurzen Zusammenfassungen aller Bücher und einer -ausdrücklich subjektiven - Bewertung. Wer's braucht... dann doch lieber die Originale. Diesen Monat musste ich dringend noch einmal Hogfather lesen - nicht weil es Weihnachten gewesen wäre, sondern weil ich den enormen Fehler gemacht hatte, mir den Film anzuschauen,der letztes Jahr Weihnachten auf SkyOne lief. Bei aller Nähe zum Buch und aller Liebe zum Detail, und obwohl der Meister selbst in einer kleinen Rolle zu sehen ist - das konnte nur schiefgehen. Da braucht es einen großen Regisseur mit einer Vision. Tim Burton hätte ich das zugetraut. Ansonsten: Finger weg vom Film! Selber lesen - und verstehen, warum Kinder all die kleinen Lügen über die Existenz von Weihnachtsmann, Zahnfee, Soul Cake Duck und dem Oh-god-of-hangovers brauchen...

Dieser Artikel ist ein Update zu: Bücher sind Lebensmittel. Juli.

Dienstag, 28. August 2007

Lehre für die Ehre.


Immer wieder, so scheint es, verweist Google Hilfe-und Informationssuchende auf meinen Blog, wenn sie wissen wollen, was Akademiker, vor allem Geisteswissenschaftler denn so verdienen. Das ist löblich, auch wenn ich die Frage kaum beantworten kann. Eines aber ist sicher: viel ist es nicht, wenn sie an der Uni bleiben wollen. Denn, so schreibt Ulrich Oberdiek, in Deutschland lehrt man für die Ehre und aus Idealismus. Wer davon leben möchte, muss hingegen auswandern.
Ich zitiere:
"Der größte Sponsor deutscher Hochschulen ist die Gruppe der Privatdozenten (PDs) und Lehrbeauftragten (LBs). Seit vielen Jahrzehnten ist es in Deutschland üblich, sie an Hochschulen quasi gratis arbeiten zu lassen - tausende Personen (Statistisches Bundesamt 2002: 45 018 LBs und rund 5 000 PDs), die für den staatlichen Arbeitgeber mehr oder weniger kostenlos und dauerhaft, d.h. fest eingeplant, lehren. [...] PDs und LBs stellen rund 25 Prozent der Lehre an den Hochschulen."
Da ja nun die Hochschulen wirtschaftlich arbeiten sollen, und dabei oft der Eindruck entsteht, das bedeute "wie in der freien Wirtschaft", sollte man die Situation einmal unter diesem Aspekt betrachten:
"Übertrüge man die Inanspruchnahme der quasi ehrenamtlichen Lehre auf die Wirtschaft, so würde dies heißen, dass ein großes, landesweit tätiges Unternehmen - sagen wir Siemens oder Daimler - etwa ein Drittel seiner hochqualifizierten Ingenieure für ihre Tätigkeit nicht bezahlen würde - mit dem Hinweis, es sei eine Ehre, im Unternehmen zu arbeiten."
Stimmt. Besonders wirtschaftlich ist das nicht. Zumindest könnte man das so in der Freien Marktwirtschaft wahrscheinlich nur schwer durchsetzen - selbst die vielgescholtene Praktikantenausnutzung kann da nicht so recht mithalten, sind doch PDs und LBs hochqualifizierte und (im Unibetrieb) erfahrene Menschen. Aber es spart natürlich viel Geld.
In einer Musterrechnung führt Oberdiek vor, dass LBs mit Glück zwischen 200 und 500 Euro pro Semester pro Lehrveranstaltung (2 SWS) verdienen. Für Nicht-Akademiker: 2 Semesterwochenstunden heisst, eine Veranstaltung über 2 Stunden pro Semesterwoche, für ca 16 Wochen, plus Vorbereitung, plus Prüfungen/Korrekturen, plus Betreuung/Sprechstunden. Ein Prof, und selbst ein festangestellter wissenschaftlicher Mitarbeiter erhält umgerechnet für die gleiche Leistung 3 750 Euro.
Uups.
Oder, wie sagte der damalige Kultusminister von Baden-Württemberg einmal auf dieses Thema angesprochen: "Schön, dass es noch Idealisten gibt."

Der ganze Artikel in Forschung und Lehre 8/2007. Und hier.
Nur schade, dass diese Informationen wieder nur in internen Blättern erscheinen: über die Gehälter von Lokführern, sächsischen Friseurinnen und anderen bei VERDI organisierten Personengruppen wissen deutlich mehr Menschen Bescheid. Vielleicht sollten die PDs und die LBs auch einmal auf die Straße gehen?
Übrigens: am Beispiel der Schweiz ist auch schon einmal nachgewiesen worden, dass höhere Bildung nicht gegen Arbeitslosigkeit hilft. Aber dafür ist es jetzt wohl zu spät.
http://www.academics.de/portal/action/magazine?page=0&nav=30283
Dieser Artikel ist ein Update zu: Mindestlohn für Akademiker (2)

Montag, 27. August 2007

Tote Knochen

Bowleserised berichtet von der langen Nacht der Museen (hier) und hat erstaunliche Fotos von Saurierskeletten im Naturkunde-Museum gemacht.
Nun ja.
Nichts gegen die ollen Saurer - immer wieder beeindruckend, vor allem für Kinder - doch seit ich diese hier gesehen habe...
(--und zwar hier --)
...hier als Detail...
...und noch mal zusammen...
... kann mich bei Skeletten nichts mehr beeindrucken.
Kinderfreundlicher sind aber wohl die anderen...




Putting the Pro in Procrastination. Nachtrag: 9to5


Nun ist das tolle Festival vorbei.
Ich war nicht da, weil 20 Euro Eintritt dann doch mehr waren, als mir meine Nachtruhe wert ist. Bin wohl zu alt dafür. Immerhin: hier sind alle Podcasts zum Nachhören. Hier hätten wir erfahren, wie man mit einem Kunstblog tatsächlich Geld machen kann. Vielleicht wäre das ja etwas für mich?

Und hier zieht der Spiegel sein Fazit.
Dieser Artikel ist ein Update zu: Fast verpasst - das 9to5 Festivalcamp

Freitag, 24. August 2007

Fast verpasst - das 9to5 Festivalcamp

Warum verpasse ich eigentlich immer die wirklich guten Fortbildungsveranstaltungen? Beinahe ist es spät, fast hätte ich das 9to5 workshop-festival verpasst...
Das wäre ärgerlich.
Zum Glück: wie Tom Hodgkinson die Kunst des Müßiggangs ("How to be Idle") erklärt hat, lässt sich wenigstens nicht nur nachlesen, sondern auch hören...Und die wirklich wichtigen Sachen sind ja auch erst heute nacht: Kathrin Passigs "Arbeitsvermeidungsworkshop "Putting the Pro in Procrastination" findet um 2:30 Uhr statt, und um 4:00 Uhr früh ist dann noch das vielversprechende Seminar von Kathrin Passig und Sascha Lobo "Wie ich die Dinge geregelt kriege – ohne einen Funken Selbstdisziplin".
Und auch dafür ist es noch nicht zu spät: Samstag um Mitternacht lernen wir von (again!) Kathrin Passig, Bettina Andrae und Klaus Cäsar Zehrer in der Lesung "Subventionen selbstgemacht", wie man Subventionen selber macht. Jeder Zuhörer erhält 5 Euro Eintritt . Wenn ich es zu einer der Veranstaltungen schaffe, werde ich berichten.
Ach so, ja: hier: RADIALSYSTEM V, Holzmarktstr. 33, 10243 Berlin
Direkt an der Spree, gegenüber vom Ostbahnhof, neben dem IBIS-Hotel. Google-Map.
Programm hier: das offizielle 9to5-Programmheft (PDF) zum Runterladen.
heute noch: “Getting Things Done” –> Zeitplan
morgen noch: “Weltverbesserung” –> Zeitplan

So schön ist die Uckermark

Gestern haben wir die Gelegenheit genutzt und zwischen zwei Gewittertagen ein Stück Sommer ergattert. Warum also nicht endlich die langgeplante Radtour durch die alte Heimat machen?

Wenn man früh genug aufsteht, kann man um 8.34 (Abfahrt) den Regionalzug von Berlin Hauptbahnhof (tief) nach Wilmersdorf (Angermünde), Ankunft 9.40 Uhr, erreichen.
Das Ticket kostet mit Bahncard 25 ca 17 Euro, plus 2 x 2,70 Euro fürs Fahrrad. Dann radelt man einmal rund um den Oberuckersee und den Unteruckersee:


Zuerst wunderbar bergab nach Suckow (Erbbegräbnis der Arnims), über Fergitz (Kunst und Hohenzollerntaufen in der Dorfkirche) und Potzlow/Strehlow (leidet immer noch unter dem Mord) nach Zollchow und dann Röpersdorf (Verzehr des mitgebrachten Picknicks mit Blick auf den "ungewöhnlich schlanken Kirchturm).
Von dort ist es nicht mehr weit bis Prenzlau (Marienkirche, Dominikanerkloster).

(Im Zweiten Weltkrieg zerstörtes Gewölbe von St. Marien, mit neuem Dach)

Fährt man dann weiter östlich um den Unteruckersee, kann man im flachen Wasser Baden an einer der zahlreichen Badestellen, zusammen mit Uckermärkern und allerlei Wasservögeln.

(Kormorane am Ufer des Unteruckersees, östlich von Prenzlau)

Weiter gehts auf einem Damm durchs Vogelschutzgebiet (das ist ausdrücklich erlaubt!), bis man auf wohlgeteerten Straßen über Seehausen nach Warnitz gelangt. Dort ist die Badestelle tiefer, aber auch kälter.
Pünktlich um 18.14 Uhr steigt man wieder in den Zug nach Berlin. Ankunft am Hauptbahnhof um 19.30 Uhr. Die Tour beträgt ungefähr fünfzig Kilometer und ist auch für untrainierte Gestalten gut zu schaffen, vorausgesetzt sie haben Mitradler mit soviel Geduld und Zuspruch wie ich...

Wer sagt, ganz Brandenburg sei flach und eine Streusandbüchse? Stimmt nicht!
Zumindest die Uckermark ist allemal sehr schön !

(schöne Uckermark)


Und die Radwege werden auch immer besser - größtenteils sogar asphaltiert, und auch gut beschildert.
Ich sollte so eine Radtour wohl öfter machen. Das gibt auch besseres Sitzfleisch als die ewige Schreibtischhockerei.

Mittwoch, 22. August 2007

German Brain Drain. Gaehtgens am Getty - ein Vorbild?

Foto von hier: http://www.bridgeandtunnelclub.com/bigmap/outoftown/california/losangeles/gettycenter/index.htm

Nicht schlecht. Thomas W. Gaehtgens übernimmt die Leitung des Getty Research Centers. Schreibt die FAZ - und meint damit die Berufung: "Es gibt Fälle, in denen das Wort spektakulär wie eine nüchterne Beschreibung wirkt. [...] Das Forschungsinstitut ist Teil der ungeheuer reichen Getty Stiftung mit ihren im Zeitraum eines Vierteljahrhunderts zusammengetragenen Kunstsammlungen. Mit mehr als zweihundert Mitarbeitern dürfte es in der Welt kaum ein zweites Institut von vergleichbarer Ausstattung geben."

Kann man sich das nun zum Vorbild nehmen? Wie sieht denn so eine beispielhafte Wissenschaftlerkarriere aus?

Promotion 1966, mit 26 Jahren. Das war damals der erstmögliche Abschluss, und ist daher vielleicht gar nicht so erstaunlich jung, wie es heute aussieht. Unsereins muss sich aber natürlich erst durch Bachelor, Master, oder auch Magisterstudium quälen, bis wir eine Dissertation schreiben dürfen. Jede Prüfung (und vor allem die geforderten schriftlichen Arbeiten) verzögert das Studium um etwa ein Jahr... Eine durchschnittliche Dissertation dauert drei bis fünf Jahre, je nach Fragestellung und finanzieller Situation.
Fazit: Das läßt sich kaum aufholen. Otto-und-Anna-Durchschnittskunsthysteriker sind heute wahrscheinlich 30-32 bei Abschluss der Diss.

Assistentenstellen. Habilitation 1972, mit 32 Jahren. Professur in Göttingen. Wow. Da haben wir gerade erst die Diss abgeschlossen. Assistentenstellen sind so rar wie, wie, wie irgendwas sehr seltenes, von dem man aber schon gehört hat. Aber einmal angenommen wir starten übergangslos in die Habil, ohne zeitverzögernde Familiengründungsauszeiten oder Brot-und-Butter-Berufe, dann brauchen wir im Schnitt ca. 6 Jahre und sind dann 36 oder 38 Jahre alt. Leider bekommen wir dann noch keinen Ruf, weil erstens die Stellen gerade gestrichen wurden, zweitens, eine Neuberufung drei Jahre dauert, und drittens, man ja noch kaum Lehrerfahrung hat, das junge Fohlen also noch ein paar Jahre auf die Weide geschickt werden muss. Zwei bis vier Jahre Semestervertretungen als Privatdozent sind nicht ungewöhnlich.
Fazit: Jetzt hängen wir schon fast zehn Jahre hinterher...

1979 Forschungsjahr in Princeton. 1985 Forschungsjahr am Getty Research Center. Hier steigen wir wieder ein: Auslandsstipendien, Fellowships, Lehraufträge in den USA sind dank elaborierter Stipendiensysteme des In-und Auslandes (DAAD, DFG, Fulbright etc) auch für uns schon vor dem Erhalt eines eigenen Lehrstuhls erhältlich. Zum Glück: für viele von uns ist das mangels (Assistenten-)Stellen an der Uni die einzige Möglichkeit, weiter wissenschaftlich zu arbeiten. Und glücklicherweise sind gerade die Unis in den USA der Meinung, dass Nachwuchswissenschaftler neue Ideen mitbringen und gefördert werden müssen. Mit dem zunehmenden Druck der Internationalisierung und Globalisierung auch in den Wissenschaften haben die meisten von uns wahrscheinlich schon während des Studiums ein Erasmus-Jahr abgelegt.
Fazit: Im Ausland forschen können wir alle, und tun's auch. Princeton und Getty ist natürlich sehr renommiert, aber theoretisch möglich. Englisch ist das neue Latein. Natürlich kriegt man wahrscheinlich Vorwürfe, den Brain-Drain zu verkörpern, aber dagegen können wir dann auch nichts tun.

1980 bis 2006 Professor an der FU Berlin. Seit 1997 Gründer und Direktor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris. Tja. Seit 1980, ach was red ich, seit 1995 sind 12% der Stellen in den Geisteswissenschaften abgewickelt worden. Bei steigenden Studierendenzahlen. Die Wahrscheinlichkeit, sechsundzwanzig Jahre lang einen Lehrstuhl innezuhaben, ist also deutlich geringer als Herr Gaehtgens sie hatte. Aber möglich. Die Gründung des Deutschen Forums hingegen können wir ihm nicht mehr nachmachen. Zumindest nicht in Paris. Und in Italien gibt's schon die Bibliotheca Hertziana (Rom) und das KHI in Florenz. Dort können wir uns natürlich überall bewerben. Für Neugründungen müssen wir uns aber ein anderes Land suchen. Aber hey, was soll's: der Osten ruft - wozu gibt's denn eine EU-Osterweiterung?
Fazit: Wenn wir erst die Drittmittel haben, steht uns Polen offen!

1999 das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, 2004 die Ehrendoktorwürde des renommierten Courtauld Institute of Art der University of London, Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres, Ritter der französischen Ehrenlegion.
Qualität zahlt sich offenbar aus. Hier kann man nur hoffen, streben und fleissig sein. Fazit: das ist schon eine ganz schön schwer aufzuholende Vorlage.

Und jetzt das: mit 67 ein ganz neuer Start in Kalifornien, fernab von Frankreich, und erst recht der verkrusteten deutschen Forschungslandschaft. Wenn wir unsere besten Leute in Rente schicken, schlägt das weltweit größte und reichste Forschungsinstitut zu. Ein Brain-Drainer par excellence!
Fazit: Ha! Nach der Rente kann noch alles kommen? Tröstliche Aussichten! Aber vielleicht sollten wir uns die Umwege sparen und jetzt schon auswandern?

http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~E7E297719A7DA410183B92C8AF1175964~ATpl~Ecommon~Scontent.html http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~EE49D0760C28141B088179557D46713AC~ATpl~Ecommon~Scontent.html

http://www.fu-berlin.de/presse/fup/2006/fup_06_148.html

Dienstag, 21. August 2007

Freiheit der Forschung - Fortsetzung: A German Guantanamó?

JVA Moabit

Manchmal brauchen die Buschtrommeln etwas, aber wenn Akademiker protestieren, dann weltweit und auf hohem argumentativen Niveau. Mal sehen, wie lange die Staatsanwaltschaft den Berliner Stadtsoziologen Andrej Holm noch in U-Haft halten kann - bzw. wann die absurden Anschuldigungen durch reale Anklagepunkte ersetzt werden... Bisher bestehen die Vorwürfe bestenfalls in "thought crimes", eine Farce nennen das die Soziologen Richard Sennet (London School of Economics) und Saskia Sassen (Columbia University) heute im englischen Guardian.

Ich zitiere:
"The German federal police [...] raided the flats and workplaces of Dr Andrej Holm and Dr Matthias B, as well as of two other people, all of them engaged in that most suspicious pursuit - committing sociology. [...] Of course the police may have solid, rational knowledge they are withholding, but their public statements belong to the realm of farce.
Dr B is alleged to have used, in his academic publications, "phrases and key words" also used by a militant group, among them "inequality" and "gentrification". The police found it suspicious that meetings occurred with German activists in which the sociologists did not bring their mobile phones; the police deemed this a sign of "conspiratorial behaviour".



Die Autoren erinnern an die Terror-Angst im Deutschen Herbst, als die RAF Deutschland mit Anschlägen überzog, aber warnen zugleich zu recht, dass
"this police action in a liberal democracy seems to fall more into Guantánamo mode than genuine counter-espionage.
Consider the hapless Dr B a little further. He's not actually accused of writing anything inflammatory, but seen rather to be intellectually capable of "authoring the sophisticated texts" a militant group might require; further, our scholar, "as employee in a research institute has access to libraries which he can use inconspicuously in order to do the research necessary to the drafting of texts" of militant groups, though he hasn't writtten any.
[...]"
Das Zugeständnis, dass die Briten im Angesicht der IRA, und in letzter Zeit die Amerikaner in Guantanamò, die Regeln des Rechtsstaates, sagen wir einmal, überdehnt haben - wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein - ist für Sennet und Sassen nur ein weiterer Grund, vor dem schleichenden Abbau von Menschenrechten im Namen der Terrorbekämpfung zu warnen:
"In the 60s, Germany had the most enlightened rules for refugees and asylum seekers in Europe; the US passed the most sensible laws on immigration in its history; France granted automatic citizenship to all those born on its territory, including all Muslims. Today all these countries have, in the name of the war on terror, revised their rules - the state of emergency prevails. The laws meant for real threats are invoked to counter shapeless fear; in place of real police work, the authorities want to put a name - any name - to what they should dread. States of emergency are dangerous to the legitimacy of states. In cases conducted like this one, a government stands to lose its authority and so its ability to root out actual terrorists.
If our colleagues are indeed dangerous sociologists, they should be prosecuted rationally. But, as in Guantánamo, persecution seems to have taken the place of prosecution."


Inzwischen setzt sich die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft immer lauter für Andrej Holm ein - hunderte unterschrieben die Protestschreiben. Darin liegt natürlich auch ein Eigeninteresse: So schrieb Uwe Rada am 15. August in der taz:
"Namentlich der Vorwurf einer intellektuellen Urheberschaft ist es, der in der Wissenschaftsszene für Unruhe sorgt. In einer Erklärung von Teilnehmern der Jahrestagung der American Sociology Association in New York heißt es: "Wir verwahren uns aufs Schärfste gegen den unglaublichen Vorwurf, die wissenschaftliche Tätigkeit und das politische Engagement sei als intellektuelle Mittäterschaft in einer angeblichen terroristischen Vereinigung zu bewerten."
Trotzdem: die Stimmen der internationalen wissenschaftlichen Elite könnten immerhin in den Augen der Staatsanwaltschaft mehr Gewicht haben als die Proteste potentiell verdächtiger, weil politisch links engagierter (regionaler) Unterstützer. Hoffentlich...

Der ganze Artikel hier:
http://education.guardian.co.uk/higher/worldwide/story/0,,2153121,00.html
und hier:

http://education.guardian.co.uk/higher/news/story/0,,2152985,00.html
und schon vor einer Woche hier:
http://www.taz.de/index.php?id=digitaz-artikel&ressort=ku&art=3202&no_cache=1

Dieser Artikel ist ein Update zu: Freiheit der Forschung

Montag, 20. August 2007

brustfixierter Frauenschwarm

Am Wochenende hat mir mein großer Bruder jemanden vorgestellt. Das tut er nicht sehr oft, aber diesmal war ich sofort ganz begeistert. Für sein Alter hat mein Neffe schon sehr viel Charme entwickelt, lacht viel und flirtet mit allen Frauen in seiner Umgebung. Na, das kann ja noch heiter werden!

Donnerstag, 16. August 2007

short break

Bin für ein paar Tage weg, und wahrscheinlich auch offline. War überhaupt öfter offline in letzter Zeit, in der Hoffnung, dadurch besser arbeiten zu können. Da das nicht gut geklappt hat, bin ich bald wieder da. Oder hier. Whatever.

Montag, 13. August 2007

The Dark is Rising

Ungefähr Weihnachten 1988 bekam ich ein Buch geschenkt, Wintersonnenwende von Susan Cooper, der zweite Band einer fünfteiligen Serie. Ich habe diese Bücher geliebt, heiss und innig, und mehrfach gelesen. Vor ein oder zwei Jahren habe ich in einem Anfall von Nostalgie wieder in die Hand genommen, und war fast ein bisschen enttäuscht, dass der alte Zauber nicht mehr wirkt, zu offensichtlich ist die Zielgruppe der zehn-bis-zwölfjährigen.
Freitag im Kino sah ich dann ein Filmplakat: offenbar werden die Bücher nun verfilmt, beginnend mit dem zweiten Band "The Dark is Rising".
Das war ein Schreck - ich glaube nicht, dass es gut ist, geliebte Bücher verfilmt zu sehen. Meistens geht es schief. Fast immer. Manno.
Und offenbar haben sie auch einiges geändert: Die Hauptperson ist älter (vierzehn statt elf, Amerikaner statt Engländer...) -- das sind keine kosmetischen Änderungen. Die zugrundeliegende Artus-Mythologie beruht auf diesen Zahlen und einigen der Orte.
Jammer. Ich bin nicht glücklich darüber. Lest das Buch.

http://en.wikipedia.org/wiki/The_Dark_is_Rising_Sequence

Montag, 6. August 2007

Freiheit der Forschung 2

Natürlich hat man als Wissenschaftler auch die Freiheit, sich selbst ein bisschen zu ironisieren. Anders lässt sich dieses, vom bekannten Soziologen Manuel Castells (Berkeley) persönlich gepostete Video of youtube wohl kaum erklären... Immerhin: Castells zeigt sich damit auf der Höhe der Zeit, und beweist, dass er kennt, worüber er schreibt.
:-)



http://youtube.com/watch?v=aL22pzsjBVc

Freitag, 3. August 2007

Freiheit der Forschung

Am Mittwoch wurde ein Sozialwissenschaftler der Humboldt-Uni festgenommen, weil er angeblich Mitglied einer terroristischen Vereinigung sei.
Jetzt kann sich natürlich darüber streiten, ob es für einen Wissenschaftler klug ist, an Podiumsveranstaltungen "extremer linker Gruppierungen" teilzunehmen - strafbar ist es aber meines Wissens (bisher) nicht.

Genausowenig wie das Verfassen einer Doktorarbeit zum Thema "Gentrifizierung", selbst wenn man dabei sozial negative Nebeneffekte der Stadterneuerung anspricht.

Ob dem Mann allerdings geholfen wird, wenn sich die "Internationalen KommunistInnen" solidarisch zeigen, sei dahin gestellt. Es ist eine Sache, den Folgen der Gentrifizierung kritisch gegenüber zu stehen - ein weder neuer noch radikaler Standpunkt - , und eine andere, deshalb mit möglicherweise kriminellen oder gar terroristischen Gruppen wie der mg in einem Atemzug genannt oder gar zu ihnen dazu gezählt zu werden.

Aber wenn die Staatsanwaltschaft nichts besseres vorlegen kann, als dass unser Stadtforscher "als promovierter Politologe intellektuell in der Lage [sei], die anspruchsvollen Texte der 'militanten gruppe mg' zu verfassen" - und noch dazu Zugang zu den Bibliotheken hat! - ist das nicht nur lächerlich, sondern auch beunruhigend für das Verständnis von Rechtsstaat und freier wissenschaftlicher Forschung.