HEINRICH WEFING in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.2007, Nr. 252, S. 35
"Ach Brüder! Ihr geht ja an mir vorüber!
Am Totensonntag soll der Bau des Ehrenmals der Bundeswehr beginnen. Eine Debatte gibt es nicht. Was sagt die gespenstische Stille über das Verhältnis der Deutschen zu ihren Soldaten?
[...]
[Sie] irritiert umso mehr, als doch die Abneigung der Bevölkerung gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die ja den aktuellen Hintergrund des Ehrenmalvorhabens bilden, nach allen Umfragen beharrlich wächst.
Gleichwohl wurde der Entwurf, den der Münchner Architekt Andreas Meck im Juni nach einem ziemlich verschwiegenen Wettbewerb vorlegte (F.A.Z. vom 14. Juni), allenfalls beiläufig zur Kenntnis genommen. Eine politische Debatte hat er nicht ausgelöst.
[...]
Der Verteidigungsminister will das Ehrenmal am Grundstücksrand seines Berliner Dienstsitzes errichten, allgemein zugänglich zwar, aber doch gewissermaßen auf geschütztem Boden, jedenfalls nicht im öffentlichen Raum. [...] Räumlich exakt wird damit sichtbar, wo auch die Debatte über das Ehrenmal lokalisiert ist: haargenau auf der Grenze zwischen innerer Angelegenheit der Bundeswehr und nationalem Politikum.
Natürlich liegt es nahe, darin einen Ausdruck des wechselseitigen Misstrauens zwischen Armee und Gesellschaft zu sehen. Die Streitkräfte, so ließe sich argumentieren, meiden lieber den offenen Diskurs mit einem Publikum, das sich das Recht erstritten hat, Soldaten ziemlich unspezifisch als "Mörder" zu verunglimpfen - und die Allgemeinheit scheut die Konfrontation mit so hässlichen Themen wie Tod und Trauer, Schmerz und Verlust. Das wäre menschlich verständlich, entlarvte aber den Slogan vom "Bürger in Uniform" ausgerechnet im Moment seiner ultimativen, tragischen Zuspitzung endgültig als bloße Phrase: Gerade vom toten Soldaten wollen die Bürger ohne Uniform nichts wissen.
[...]
Solcher Unwille zu trauern ist fraglos das Charakteristikum einer Gesellschaft, die Herfried Münkler gelegentlich als "postheroisch" bezeichnet hat. Sie scheut das Opfer, delegiert es, gegen entsprechende Bezahlung, vorzugsweise an Profis, an Berufssoldaten oder an private Sicherheitsdienste. Sie klammert sich auch bald zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer noch immer an den instinktiven Pazifismus der Bonner Republik, sträubt sich beharrlich, die Veränderungen der Welt ringsum wahrzunehmen. Und verweigert daher auch eine Antwort auf die existentiellen Fragen, die längst nicht nur für das Bundeswehr-Ehrenmal entscheidend sind, sondern auch für das Selbstbild der Nation: Wofür töten Bundeswehr-Soldaten, wenn es darauf ankommt? Wofür sterben sie?
Und wann will die Republik endlich zur Kenntnis nehmen, dass beides längst geschieht? Und weiter geschehen wird?
Solange diese Debatte nicht geführt wird, wird es auch keine couragierte Diskussion über das Ehrenmal geben. Das mag die amtlichen Bauherren freuen, die auf eine reibungslose Durchführung der ministeriellen Gedenkanordnung hoffen. Ihren Soldaten aber tut die Bundeswehr mit einer derart defensiven Abwicklung des Vorhabens keinen Gefallen."
Dazu bleibt nichts zu sagen.
Voller Artikel zur Zeit nicht online. Hervorhebung von mir.
Zwei weitere aktuelle Pressereaktionen:
- Hans-Ernst Mittig: Blech und Stein (FR 26.10.2007):
"Fast 200 Historiker und Kunsthistoriker haben in einem offenen Brief gegen das undemokratische Verfahren zur Errichtung eines Bundeswehr-Ehrenmals in Berlin protestiert und den zur Ausführung vorgesehenen Entwurf abgelehnt." URL:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/dokumentation/?em_cnt=1232877
- Ronald Düker: Aus der Mitte der Kommission (taz 29.10.2007):
"Der Ulmer Verein, ein Berufsverband von Kunst- und Kulturwissenschaftlern, formulierte dies am 11. Oktober in einem von über 170 renommierten Kunsthistorikern und Historikern unterzeichneten offenen Brief an die Bundeskanzlerin und den Verteidigungsminister. Eine Reaktion gibt es darauf bislang nicht."
URL:
http://www.taz.de/nc/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2007/10/29/a0130&src=GI&cHash=342a135896
Alle Links finden Sie zusammengestellt unter:
http://www.gjanzing.de/bundeswehr_ehrenmal.htm
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Wissenschaft wohl doch überflüssig. Neues vom Bundeswehrehrenmal.
Dienstag, 30. Oktober 2007
Das Bundeswehr-Ehrenmal in der FAZ.
notiert unter
alle doof außer ich,
die Welt da draußen,
Zeitungsausschnitte
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