Schon am 1. Juli hat der Landesdenkmalrat der Senatorin für Stadtentwicklung, Brückenstraße 6, D-10179 Berlin folgende Presseerklärung herausgegeben:
"Umbau im Kopf
Presseerklärung zum Opernstreit (1.7.2008)
Der Landesdenkmalrat Berlin hat frühzeitig den hohen Denkmalwert des Paulick'schen Ausbaus der Staatsoper hervorgehoben und vor extensiven Umbaumaßnahmen gewarnt. Er bedauert, dass die Ausschreibung zur Sanierung des Hauses mit widersprüchlichen Zielstellungen überfrachtet wurde. Nach eingehender Analyse der drei prämierten Entwürfe steht fest, dass in jedem Fall der denkmalgeschützte Raum zerstört werden würde. Nicht nur im Fall einer "modernen" Fassung, sondern auch bei einer historisierenden Anlehnung an das gegenwärtige Raumbild geht es um einen kompletten Neubau im Inneren. Die vage Rekonstruktion Paulick'scher Motive in einer aufgeweiteten Kubatur ist keine denkmalpflegerische Option. Der Landesdenkmalrat empfiehlt deshalb in der Entscheidung noch einmal dorthin zurückzugehen, wo das Dilemma um die verständlichen Wünsche der Staatsopernleitung eingesetzt hat. Die öffentliche Fachdiskussion im Opernstreit hat unter anderem erkennen lassen, dass bei historischen Opernsälen über kreis- oder ellipsenförmigem Grundriss Einschränkungen der Sicht hingenommen werden, zumal sie vielen Menschen einen Opernbesuch erst bezahlbar machen. Darüber hinaus wurde klar, dass die bemängelte kurze Nachhallzeit für ältere Werke der Opernliteratur bzw. für die Formate der Kammeroper keineswegs nachteilig ist. Die Akustik des Raumes beeinträchtigt in erster Linie das Repertoire der grossen spätromantischen Oper seit Richard Wagner, der in seiner Festspielhausidee entsprechende Reformen von Bühne und Zuschauerraum einführte. Berlin verfügt mit der Staatsoper und der Deutschen Oper über zwei wunderbare, kontrastierende und mittlerweile schon historische Opernhäuser aus der Nachkriegszeit, die sich hervorragend jeweils für eines der beiden Formate eignen. Es liegt nahe, beide Häuser nach Bedarf durch beide Opern-Institute zu nutzen und damit dem Staatsoperngebäude eine zerstörerische und unnötig kostspielige Tortur zu ersparen. Dies setzt lediglich hinsichtlich der Kooperation beider Opernintendanzen einen "Umbau im Kopf" voraus, der auch bei der Abstimmung der Spielpläne von Vorteil sein könnte. Die Durchführung einer Neugestaltung des Hauses Unter den Linden würde zum Verlust des Denkmals führen und damit ein weiteres, über die DDR-Geschichte hinaus bedeutsames, qualitätsvolles und als rekonstruktive Neuschöpfung gerade heute überaus aktuelles Werk des 20. Jahrhunderts aus dem historischen Gedächtnis der Stadt und der internationalen Opernfreunde auslöschen. Seit einem halben Jahrhundert, insbesondere aber seit 1989 hat die Schöpfung Paulicks für Gesamtberlin eine starke identitätsstiftende Wirkung entfaltet. Infolgedessen sollte sich die Sanierung des Hauses auf die technische Infrastruktur und auf denkmalverträgliche Verbesserungsmaßnahmen konzentrieren. Der Landesdenkmalrat tritt mit diesem, dem Pariser Opernmodell (Opéra Garnier und Opéra Bastille) verwandten Vorschlag an die Opernstiftung, an den Regierenden Bürgermeister und an die Leitung der beiden Opern-Institutionen heran und bittet, diesen "Weg der Vernunft" ernsthaft zu diskutieren und zügig umzusetzen.
gez. Prof. Dr. Adrian von Buttlar
(Vorsitzender des Landesdenkmalrates Berlin)"
Geschäftsstelle des Landesdenkmalrates:
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
Oberste Denkmalschutzbehörde
Am Köllnischen Park 3
10179 Berlin
Tel.: (030) 9025- 1308 / 1309
Fax: (030) 9025- 1665
E-Mail: ldr@senstadt.berlin.de
Der Text der Presse-Erklärung ist auch im Internet zu finden: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/denkmal/landesdenkmalrat/de/pressemitteilungen/download/pe_opernstreit_01_07_08.pdf
Dieser Artikel ist ein Update zu: http://bleistift-und-notiz-blog.blogspot.com/2008/07/offener-brief-staatsoper-unter-den.html
Sonntag, 13. Juli 2008
Offener Brief: Staatsoper unter den Linden gefährdet
Über arthist.net kam heute folgender offener Brief in meine Inbox geflattert:
[Anmerkung der arthist.net-Redaktion: Wir dokumentieren einen Offenen Brief des
Ulmer Vereins für Kunst- und Kulturwissenschaften. Der Inhalt dieses
Briefes muss nicht die Meinung der Redaktion von H-ArtHist
widerspiegeln.]
[Anmerkung der arthist.net-Redaktion: Wir dokumentieren einen Offenen Brief des
Ulmer Vereins für Kunst- und Kulturwissenschaften. Der Inhalt dieses
Briefes muss nicht die Meinung der Redaktion von H-ArtHist
widerspiegeln.]
Foto: il Bern
"Berlin, den 09. Juli 2008 Sehr geehrter Herr Wowereit, der Ulmer Verein für Kunst- und Kulturwissenschaften, die Berufsvertretung von Kunsthistorikern in Deutschland, möchte mit diesem offenen Brief den hohen architektonischen und geschichtlichen Wert der heutigen Berliner Staatsoper Unter den Linden unterstreichen. Wir plädieren ausdrücklich für den Erhalt des denkmalgeschützten Zuschauerraums der Lindenoper. Die besonnene und künstlerisch hochwertige Vermittlungsleistung ihres Wiedererbauers Richard Paulick wird in der gegenwärtigen Debatte unterschätzt. Paulick war ein namhafter Vertreter des Bauhauses. Seine Staatsoper ist ein Schulbeispiel für eine gelungene Rekonstruktion. Der Wert des verloren gegangenen Originals ist auf einen Ersatzbau übertragen worden. Der Ersatzbau hat den Ort, die Form sowie Teile der Substanz des alten übernommen und wurde so zu einem neuen Original. Es mag paradox klingen, aber die Wertübertragung gelang gerade deswegen so gut, weil das neue Original nicht mit dem alten identisch ist. Denn Paulick hat nicht einfach das friderizianische Interieur wieder nachgebaut. Er hat es vom feudalen Logentheater in ein bürgerliches Rangtheater verwandelt, hat die Detailgestaltung nach Vorbildern in Knobelsdorffs Potsdamer Bauten neu entworfen und damit ein eigenes Werk geschaffen, das Knobelsdorff allenthalben evoziert. Die Akteure von damals - der Kulturminister der DDR, Johannes R. Becher, der Architekt Richard Paulick, der designierte musikalische Leiter der Staatsoper, Erich Kleiber, alle aus dem Exil zurückgekehrt - gehörten zu den Künstlern und Politikern, die Deutschland noch als die ungeteilte Kulturnation dachten, die wir jetzt, bald 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, allmählich wieder geworden sind. Die Staatsoper ist kein Ost-Denkmal, sondern ein gesamtdeutsches. Sie ist in ihrer Wiederaufbaufassung ein wertvolles, charakteristisches Werk des ersten Nachkriegsjahrzehnts, das als Gesamtkunstwerk überliefert und als Erbe für kommende Generationen zu bewahren ist. Es ist Paulick, der uns Knobelsdorffs Werk übermittelt hat; und wer jetzt Paulicks Wiederaufbau ausräumt, hat am Ende auch keinen Knobelsdorff mehr. Abschließend noch ein Wort zur Akustik: Die ältere Musik klingt, wie alle Kenner versichern, in der Staatsoper vollkommen richtig. Vielleicht sollten die neueren, ganz großen Opern (Richard Wagner, Richard Strauss) eben doch in der Deutschen Oper an der Bismarckstraße aufgeführt werden. Das Versprechen, der neue, von Roth entworfene Zuschauerraum werde mit Gewissheit eine entscheidende akustische Verbesserung bringen, hören wir mit größter Skepsis. Die UnterzeichnerInnen fordern Sie im Namen unserer Mitglieder und Kollegen auf, sich für einen Entwurf einzusetzen, der die sensible gestalterische Leistung Paulicks respektiert und den Zuschauerraum vor einer Zerstörung bewahrt. Mit freundlichen Grüßen Der Vorstand des Ulmer Vereins (Matthias Bruhn, Lucas Elmenhorst, Elke A. Werner, Philipp Zitzlsperger)
Der Text des offenes Briefes und die Liste der Unterzeichnenden: http://www.ulmer-verein.de/uv/index.php Wenn Sie das Schreiben mit Ihrer Unterschrift ebenfalls unterstützen wollen, senden Sie bitte eine E-Mail mit Name, akadem. Titel, Wohnort an: philipp.zitzlsperger@culture.hu-berlin.de"
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